Mandarinenten haben sich am Wiesbadener Rheinufer angesiedelt
Sie stammt aus Ostasien und ist als Ziervogel wohl aus Volieren entkommen: Zu den schon länger heimisch gewordenen Sittichen und Schildkröten gesellt sich die Mandarinente.
Hübsches Entlein: Die Mandarinente zwischen Stockenten am Rheinufer hat Leserin Carmen Wellstein fotografiert.
(Foto: Carmen Wellstein)
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SCHIERSTEIN - Enten sind eher unscheinbare Gesellen? Ein Spaziergang am Schiersteiner Rhein belegt auf eindrucksvolle Weise das Gegenteil: Hier lebt die farbenprächtige Mandarinente, die eigentlich aus Ostasien stammt.
Von Julia Anderton
Die Weibchen sind braun, die Erpel haben einen grünglänzenden Kopf: Jeder weiß, wie unsere Enten aussehen. Und auch an die Nilgänse haben wir uns mittlerweile gewöhnt. Ob am Warmen Damm oder im Nerotal: Die gefiederten Gesellen gehören fest zu unserem Stadtbild.
Am Schiersteiner Rheinufer aber gibt es ein wahres Farbspektakel zu beobachten: Immer wieder mischt sich die Mandarinente unter ihre im Vergleich eher unscheinbaren Kollegen. Sie ist ein Hingucker mit ihren roten, blauen, braunen, beigen, grünen, gar ockerfarbenen Schattierungen, die teils wie von Künstlerhand aufgemalt wirken. Beheimatet ist diese Vogelart ursprünglich in Ostasien, es ist also ein recht weiter Weg von dort bis zum Rhein, den die Mandarinente freilich nicht geflogen ist.
Als Ziervogel gehalten und verwildert
Tatsächlich ist sie hier geboren – und damit keine Ausnahme, wie Ulrich Kaiser, Kurator der Naturhistorischen Sammlungen im Museum Wiesbaden, weiß. Auch ausgesetzt wurde sie nicht. „Die Männchen gehören zu den farbenprächtigsten Enten. Das macht sie bei Ziervogelhaltern sehr beliebt“, erklärt er. Sie wurden deshalb schon vor Jahrhunderten importiert und in Parks und in Volieren gehalten. Dabei kam es immer wieder vor, dass Tiere entflohen und verwilderten. „Man spricht da von Gefangenschaftsflüchtlingen. In England und Schottland wurde die Art besonders im Südwesten erstmals im 18. Jahrhundert eingebürgert. Seither ist ihre Population auf über 3500 Brutpaare in Freiheit angewachsen. In ganz Europa wird der Bestand auf etwa 7000 Brutpaare geschätzt“, weiß Kaiser.
Die natürlichen Bestände der Art im ostasiatischen Raum seien durch die Vernichtung geeigneter Lebensräume bedroht. „Es dient somit der Arterhaltung, dass sich Mandarinenenten auch in Deutschland teils als Park- oder Zooflüchtlinge in bestimmten Regionen etablieren konnten. Aus verschiedenen Regionen Deutschlands sind seit Jahren Brutnachweise bekannt. In Hessen gibt es beispielsweise Brutnachweise aus Nordhessen und dem Rhein-Main-Gebiet. Schon 2002 gab es ganzjährige Beobachtungen der Mandarinente in Wiesbaden und Umgebung.“
„Neobiota“ Schildkröten und Alexandersittiche
Die Mandarinente ist indes nicht der einzige Exot, der sich am Rhein angesiedelt hat. Die Alexandersittiche flattern im Biebricher Schlosspark, und auch Schildkröten gehören in Schierstein quasi zum Inventar.
Ist diese Entwicklung für die heimische Flora und Fauna riskant? „Die Mandarinente zählt zu den Neobiota. Das sind Tier- oder Pflanzenarten, die von Natur aus nicht in Deutschland vorkommen, sondern erst durch den Einfluss des Menschen zu uns gekommen sind. Diese Arten sind gebietsfremd nichtheimisch“, betont Kaiser.
Keine Auswirkung auf heimische Arten
Und gibt im Fall der Mandarinente Entwarnung: Unter den Neobiota gebe es Arten, welche als invasive Arten bezeichnet werden, die unerwünschte Auswirkungen auf einheimischen Arten, Lebensgemeinschaften oder Biotope haben, weil sie mit ihnen in Konkurrenz um Lebensraum und Ressourcen treten und diese verdrängen. „Die Mandarinente ist keine invasive Art. Zu den invasiven Arten zählen beispielsweise Nutria, Waschbär, Nilgans, Kamberkrebs oder die Nordamerikanische Buchstaben-Schmuckschildkröte.“
Obwohl sie ein Exot ist, stünden die Überwinterungschancen für die Mandarinente am Rhein gut. „Sie kommt mit den hiesigen Lebensbedingungen zurecht. Ich selbst habe die Mandarinente bereits vor fast 40 Jahren in Niedersachsen in Feuchtgebieten mit anderen Entenarten beobachtet. Eine Winterruhe gibt es bei der Mandarinente nicht. Auch in dieser Jahreszeit lassen sich ja am Rhein große Gruppen von Wasservögeln beobachten.“
Die 4. Hessische Landesnaturschutztagung in Gießen hat sich Anfang November dem Thema „Invasive Arten“ gewidmet, berichtet Patricia Kremer vom Umweltamt. Für die meisten heimischen Tier- und Pflanzenarten sei in Hinblick auf Verdrängungseffekte Entwarnung gegeben worden, mit Ausnahme des heimischen Steinkrebses, der durch die Übertragung der Krebspest durch nicht heimische Krebsarten massiv in seinem Bestand gefährdet ist. Sie weist daraufhin, dass das Fütterungsverbot in der Gefahrenabwehrverordnung klar geregelt ist: Es gilt für Tauben sowie für Wasservögel an stehenden Gewässern sowie am und im Hafenbecken – und somit auch für Mandarinenten.