„Herzensbäume“: die Libanonzeder im Biebricher Schlosspark
Sie wurde wohl 1828 gepflanzt und hat schon viel mitgemacht. Die Libanonzeder am Ende der Dicken Allee gilt als die „Königin der Bäume“.
Von Elke Baade
Die Libanonzeder hat unter dem Schatten benachbarter Kastanien gelitten und ist licht geworden. Auch die Trockenheit hat dazu ihren Teil beigetragen.
(Fotos: René Vigneron)
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BIEBRICH - Im Mai waren wir schon einmal im Schlosspark: Da stand Günter Noerpels Herzensbaum, die große Rosskastanie hinter dem Schloss, in voller Blüte. Jetzt leuchten die hellgrünen, stacheligen Kastanienfrüchte – ein Prachtstück, dieser Baum, zu jeder Jahreszeit. Begleitet von Parkleiter Eike Schwarz und kreischenden Sittichen zieht’s mich jetzt zur Libanonzeder rechts am Ende der Dicken Allee. Vor Jahren habe ich sie entdeckt, wäre wohl an ihr vorbeigelaufen, hätte ich nicht das Schild am Fuß ihres Stamms gesehen. Heute ist es gänzlich zugewachsen, „es kommt ein neues“, beruhigt mich Schwarz.
Vermutlich 1828 gepflanzt, war zu lesen, mit dem Hinweis des einstigen Parkgestalters Friedrich Ludwig von Sckell, dass die „Ceder von Libanon“ als Königin der Bäume gilt und deren Holz auch zum Bau von König Salomos Tempel verwendet wurde. Und: „Aus diesem Holze fertigte man auch die Brautbettstätten als Symbol der Reinlichkeit und der Dauer.“ So hat Sckell es jedenfalls 1818 in einem Beitrag zur bildenden Gartenkunst geschrieben.
Vorbeigelaufen wäre ich fast, weil man auf Augenhöhe nur einen hohen, sehr aufrecht gewachsenen Baumstamm sieht, mit Beulen alter Astansätze und einer sich leicht schuppenden, schwarzgrauen Borke. Ihre ganze Schönheit offenbart unsere Libanonzeder erst ab etwa zehn Metern Höhe, wo die untersten Äste beginnen. Von da an aber wachsen sie in alle Richtungen, teils fast waagrecht, bis zur breiten, flachen Krone. Ich hätte ein Fernglas mitbringen sollen, sind doch die dunkelgrünen Nadeln und die Zapfen weit weg. „Früher war weniger Himmel“, sagt Eike Schwarz nachdenklich beim Blick nach oben Richtung Krone. Und spricht über die durch Trockenheit schütter gewordene Benadelung, die einstigen typischen „Etagen“-Seitenäste, die der Baum im Lauf der Jahre „aufgegeben“ habe, weil er von Kastanien bedrängt und beschattet gewesen sei. Und eine Rosskastanie war es auch, die 2014 mit voller Wucht auf den Baum krachte, ihm im Kronenbereich mehrere Äste weggeschlagen hat. Die arme Zeder: Direkt vor ihr steht der tote Torso der Kastanie wie ein Mahnmal, für viele Spaziergänger ein Schandfleck. Aber: Er dient dem Artenschutz, leistet gute Dienste für Vögel, Käfer, Kleinstinsekten, trägt deshalb auch das Schild „Habitatbaum“, erklärt mir Eike Schwarz.
Die Libanonzeder hat unter dem Schatten benachbarter Kastanien gelitten und ist licht geworden. Auch die Trockenheit hat dazu ihren Teil beigetragen. Fotos: René Vigneron
Eike Schwarz wählt für Nachpflanzungen Baumarten, die bei wärmerem Klima eine Zukunft haben. Archivfoto: Sascha Kopp
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Zum Abschied zeigt er mir noch die kleine, vor zwei Jahren gepflanzte Blaue Atlaszeder nahe der Mosburg. Wir reiben und schnuppern an den blaugrauen Nadeln, mit mäßigem Erfolg, es war wohl zu nass. Vom viel gepriesenen Duft des Zedernholzes aber kann ich nur träumen. Was mir sehr recht ist: Möge mein Herzensbaum noch lange leben.
SCHLOSSPARK
1708 begann Maximilian von Welsch mit der Anlage eines barocken Gartens. 1817 bis 1823 erfolgte die Umgestaltung zum englischen Landschaftsgarten durch Friedrich Ludwig von Sckell im Auftrag des Herzogs Wilhelm von Nassau. Parkgröße heute: 350 000 Quadratmeter, 45 000 Quadratmeter baumbestandene Fläche, etwa 3000 Einzelbäume im Kataster plus weitere. Landschaftsschutzgebiet und denkmalgeschützt. Unter Verwaltung des Landesbetriebs Bau und Immobilien Hessen (LBIH).
DAS SAGT DER EXPERTE
Eike Schwarz, Landschaftsarchitekt und Leiter des Schlossparks: „Die Libanonzeder ist in altersgemäß gutem Zustand. Zweimal im Jahr wird sie von unseren Mitarbeitern und einer Fremdfirma begutachtet, von den Wurzeln über den Stamm bis in die Krone, wenn nötig, in der Höhe auch mit dem Steiger. Darüber hinaus haben wir bei Verdacht auf eine Schädigung diverse Möglichkeiten, etwa die Restwandstärke des Stamms zu messen oder eine Ultraschallprüfung zu machen. Die Trockenheit hat der Baum relativ gut überstanden, und er ist frei von Schädlingen. Die winzigen Löcher in der Borke stammen von Insekten, die im abgestorbenen Rindenbereich leben. Den Natur- und Artenschutz sowie das von Sckell erdachte Parkbild zu erhalten, liegt uns sehr am Herzen. Im Zuge der Klimaerwärmung wird dies allerdings mit früher gut funktionierenden Baumarten, gerade direkt am Rhein, immer schwieriger. Deshalb beobachte ich intensiv im Park und in der Fachliteratur, welche Bäume in Zukunft eine Chance haben und entscheide dann im Sinn der Sckell’schen Parkgestaltung, welche Bäume nachgepflanzt werden.“
Steckbrief
Libanonzeder, Cedrus libani, Familie der Kieferngewächse.
Heimat Libanon (Nationalsymbol), Türkei und Naher Osten; kann dort 800 bis 1000 Jahre alt werden. Gelangte schon 1638 nach Europa, gedeiht hier in gemäßigtem Klima. Höhe am Naturstandort bis 50 Meter, meist mehrstämmig mit hoch aufragenden Hauptästen und schirmförmigen Etagen fast waagerechter Äste. Unser wohl 1828 gepflanzter Baum ist 28 Meter hoch, Umfang 3,68 Meter, Durchmesser 1,19 Meter. Weibliche Blütenstände bringen violettgrüne, ca. 10 cm lange Zapfen hervor, männliche Zapfen ca. 5 cm lang und blassgrün. Immergrüner Baum mit dunkelgrünen Nadeln in Büscheln. Kommt gut mit Hitze, Luft- und Bodentrockenheit zurecht. Der hohe Anteil ätherischer Öle sorgt für angenehmen Duft und lange Haltbarkeit des Holzes.