Wiesbadens Noch-Bürgermeister redet zum Abschied Klartext 

Im Interview blickt Bürgermeister Oliver Franz auf die vergangenen zehn Jahre zurück.
© René Vigneron

Nach zehn Jahren in der Stadtregierung spricht Oliver Franz über persönliche Erfolge und Niederlagen, über grüne Verkehrspolitik und böse Fouls aus den eigenen Reihen.

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Herr Franz, Sie absolvieren gerade die letzten Termine im Amt, wie fühlt sich das an? 

Ich war mir immer im Klaren darüber, dass ich irgendwann wieder das Rathaus verlassen muss. Daher bin ich gelassen und empfinde mein Ausscheiden nicht als Majestätsbeleidigung.

Empfinden Sie Wehmut?

Es war kurzweilig und hat mir überwiegend viel Spaß gemacht. Mein Ziel war immer eine Politik, die weniger programmatisch-ideologisch, als auf konkrete Arbeitsergebnisse ausgerichtet ist. Die Phase, als CDU und SPD allein eine Regierung bilden konnten, war sehr fruchtbar. Mit zwei Partnern bekommst du leichter Dinge besprochen als mit dreien. Und noch leichter mit dreien als mit vieren. Ich kann mir schon vorstellen, dass es in der jetzigen Koalition mit vier Partnern einen gehörigen Abstimmungsbedarf gibt. 

Effizienz ist das eine, die Programmatik das andere. Wie groß ist denn Ihre Sorge, dass die Nachfolgerinnen in Ihren Ressorts das, was Sie aufgebaut haben, wieder einreißen. Macht Ihnen das Angst?

Angst macht mir das keine. Das Wesen der Demokratie ist: Es ist Macht auf Zeit. 

Aber Sie sind doch sicher besorgt, dass es nun größere Kurswechsel geben könnte, etwa, dass die Videoüberwachung wieder abgebaut wird? 

Es wäre vermessen, sich jetzt schon ein abschließendes Urteil bilden zu wollen. Ich sehe, dass sich die Kooperation von der Ideologie wegbewegen muss. Gerade bei den Themen Videoüberwachung, Waffenverbotszone, Zusammenarbeit mit der Landespolizei in einem Zehn-Punkte-Programm, das in Hessen einmalig ist. Ich glaube allerdings nicht, dass die Linken so dumm sind, zu verlangen, dass man diese Zusammenarbeit kündigt.

Was macht Sie da so sicher? Der Ball des Sports wurde aufgegeben, auch das Pfingstturnier stört die Linke…

Ich habe eine klare Meinung zu dem Bündnis. Und wenn ich der SPD-Fraktionsvorsitzende wäre, hätte ich es nicht unterstützt, weil die Linkspartei eine andere gesellschaftspolitische Grundauffassung hat. Wir sponsern nicht das Pfingstreitturnier, weil da Leute einen exklusiven Pferdesport betreiben, sondern weil es ein Highlight im Veranstaltungskalender der Stadt ist, das bundesweit beachtet wird und Kaufkraft herzieht. Es wird für SPD und Grüne darauf ankommen, dass sie die Linken dazu bringen, in solchen Fragen zu pragmatischen Ergebnissen zu kommen. Sonst werden sie die Zeche für das Experiment zahlen.

Wie ungemütlich es werden kann, haben Sie gleich am Anfang Ihrer Amtszeit erlebt. Sie mussten in der Kostheimer Lesselallee kaputte Kastanienbäume fällen lassen… 

Das war die belastendste Zeit für mich, mit den größten persönlichen Feindseligkeiten. Es gab schlimme Kommentare, viele anonym und am boshaftesten auf Facebook, mit bösen Wünschen für mich und meine Familie. 

Emotional ging es auch um die Straßenreinigungssatzung zu: Sie waren für die Entsorgungsbetriebe (ELW) zuständig, mussten aber am Ende den Wunsch der Bürgerinitiative umsetzen, nicht den der ELW… 

Wir hatten es in der Koalition besprochen, Christoph Manjura als Fraktionsvorsitzender der SPD hat es pragmatisch gesehen und die SPD hat zugestimmt. Seine Nachfolgerin, Nadine Ruf, hat anders gedacht und die SPD ist von der Fahne gegangen. Dass eine Optimierung weiterhin nötig ist, sieht man daran, dass die Sauberkeit an manchen Orten in der Stadt nach wie vor deutlich zu wünschen übriglässt. 

Auch innerparteilich haben Sie turbulente Zeiten erlebt. Wie tief sitzt der Stachel noch, dass Ingmar Jung, Alexander Lorz, Astrid Wallmann, Hans-Martin Kessler und Kristina Schröder Sie schriftlich aus dem Amt des Parteivorsitzenden gedrängt haben?

Dieser Brief war ein klares politisches Foul, sowas muss man den Leuten persönlich sagen. Ich hatte jedenfalls immer den Mut dazu. Der mir gemachte Vorwurf, ich würde eine persönliche Fehde mit Herrn Lorenz austragen, war völlig absurd und ist durch die weitere Entwicklung auch eindeutig widerlegt. Aber das war ja nur der Schlusspunkt einer sehr kuriosen Aufführung, die die CDU Wiesbaden hier geliefert hat.

Sie meinen die Skandale um den damaligen Fraktionsvorsitzenden Bernhard Lorenz sowie CDU-Schatzmeister Ralph Schüler und das Thema illegale Parteienfinanzierung…

Man hätte vielleicht die Krise mit Herrn Lorenz schneller beenden können, wenn die Abgeordneten Jung, Wallmann und Lorz früher mal ein ernstes Wörtchen mit Herrn Lorenz gesprochen hätten, statt mir einen Brief zu schreiben.

Ohne den erbitterten Streit zwischen Ihnen und Lorenz wären Sie heute vielleicht Oberbürgermeister…

Mit solchen Gedanken habe ich mich nicht beschäftigt. Dass ich damals kein Kandidat sein konnte, war allen klar.

Wäre für die CDU Gerhard Obermayr oder Ingmar Jung der bessere OB-Kandidat 2025?

Ich weiß nicht, ob beide zur Verfügung stehen. Was ich sagen kann, ist, dass Gerhard Obermayr öffentlich sehr präsent und engagiert ist.

Als Bürgermeister und Wirtschaftsdezernent waren Sie auch sehr engagiert, aber viele dicke Bretter bleiben und müssen nun von Ihrer Nachfolgerin Christiane Hinninger (Grüne) weitergebohrt werden, etwa die Attraktivierung der Innenstadt…

Ich habe den Masterplan Innenstadt initiiert, aber wir brauchen weitere Ideen für die Fußgängerzone. Viele Kunden aus dem Umland fahren nicht mehr nach Wiesbaden, sondern ins Main-Taunus-Zentrum. Das hat was mit Parkhausgebühren und Erreichbarkeit zu tun. Für die Fußgängerzone unserer Größe, reicht die Wiesbadener Kaufkraft nicht aus. Du brauchst Zufluss aus dem Umland, und die können nicht nur mit dem Fahrrad kommen. Mir fehlt völlig die Fantasie, wie Frau Hinninger das lösen will, weil das ja zentral mit der grünen Verkehrspolitik kollidiert. 

Eine andere Nachfolgerin von Ihnen, Milena Löbcke (Linke), übernimmt das Gesundheitsdezernat. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Linke den Gedanken der Rekommunalisierung der Helios-Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken (HSK) verfolgt?

Ich könnte mir vorstellen, dass Helios ein wirtschaftlich attraktives Angebot nicht einfach vom Tisch wischen würde. Das entsprechende Geld müsste Frau Löbcke beim Kämmerer organisieren. Ich glaube nicht, dass das gelingen wird. 

Als die HSK verkauft wurden, hat man sich für ein kompliziertes Konstrukt entschieden, in dem die Stadt keinen Einfluss auf das operative Geschäft hat. Welcher Spielraum blieb Ihnen da?

Ein geringer. Was ich erreichen konnte, konnte ich im Dialog erreichen. Ich konnte Gesprächspartner überzeugen, an der ein oder anderen Stelle nochmal nachzudenken und Dinge doch anders zu machen. Trotz der Konstellation habe ich bei Helios und in den HSK immer Gesprächspartner gefunden, die bereit waren, sich meine Meinung anzuhören. Die Wiesbadener vergleichen den Zustand der HSK oft mit verklärtem Blick mit dem früheren Zustand. Aber: Wenn die Klinik zu 100 Prozent städtisch wäre, hieße das nicht, dass alles so wäre wie vor 15 Jahren. 

Trotz des geringen Einflusses leistet sich die Stadt eine eigene HSK-Geschäftsführerin. Braucht es die überhaupt?

Die Frage ist berechtigt. Natürlich ist sie eine vollwertige Geschäftsführerin im Rechtssinne, aber es gibt eben drei – und sie muss immer einen der beiden Helios-Geschäftsführer überzeugen, um etwas durchzusetzen. Politisch wurde eine städtische Geschäftsführerin nie infrage gestellt, weil man an Öffentlichkeit und Belegschaft nicht das Signal senden wollte: Jetzt ist uns alles egal. Es ist auch nicht verkehrt, jemanden dort zu haben, der in das Unternehmen hineinhört.

Gemeinsames Krisenmanagement: Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) und Bürgermeister Oliver Franz haben in der Pandemie eng zusammengearbeitet.
Gemeinsames Krisenmanagement: Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) und Bürgermeister Oliver Franz haben in der Pandemie eng zusammengearbeitet.
© Lukas Görlach

Das Gesundheitssystem ist – gerade auch in der Pandemie – einem Stresstest unterzogen worden. Schon vorher fehlten Fachkräfte, doch das Problem spitzt sich weiter zu. Was kann die Stadt für die medizinische Versorgung tun?

Wir müssen in allen Bereichen ausbilden, weil dann die Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass jemand am Ausbildungsstandort hängenbleibt. Wiesbaden hat bisher keine humanmedizinische Ausbildung, die würde helfen. Universitätsstandorte wie Gießen und Marburg haben den Vorteil, dass Menschen, die dort Medizin studieren, eine Familie gründen und bleiben. Das mildert dort den Fachkräftemangel etwas. 

Apropos Fachkraft: Wie geht es für Sie weiter? Es heißt, Sie hätten Pläne in der freien Wirtschaft…

Noch habe ich keinen Vertrag in Händen, deshalb kann ich das nicht sagen. Aber es wird nicht das Taunus Wunderland (dort arbeitet der Ex-Oberbürgermeister Sven Gerich, Anm. der Redaktion) sein, wie ich – halb im Scherz – häufiger gefragt werde.

Wenn Sie bald Ihre Bürotür zum letzten Mal schließen: Was werden Sie vermissen? Was wird Ihnen bestimmt nicht fehlen?

Ich werde sicher nicht als Zuhörer in Stadtverordnetenversammlung und Ausschüssen erscheinen (grinst) – und auch an den Wochenenden nicht mehr so viel unterwegs sein. Aber ich werde das Privileg vermissen, mit ganz unterschiedlichen interessanten Menschen in Kontakt treten zu können. Und natürlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meinem persönlichen Büro, die ich bislang täglich gesehen habe.