„Für mich ist die Lehre von Kneipp die Gesundheitslehre überhaupt“, sagt Franz Bayer, zweiter Vorsitzender des Wiesbadener Kneippvereins. Er wurde 1897 gegründet und ist...
WIESBADEN. „Für mich ist die Lehre von Kneipp die Gesundheitslehre überhaupt“, sagt Franz Bayer, zweiter Vorsitzender des Wiesbadener Kneippvereins. Er wurde 1897 gegründet und ist damit einer der ältesten Wiesbadener Vereine überhaupt. Im Mittelpunkt steht die Vorbeugung und Behandlung von Beschwerden mit Wasser (Hydrotherapie). Bayer selbst hat einst Knieschmerzen mit feuchten Umschlägen behandelt – und ist sie losgeworden. „Wir sehen uns aber keineswegs als Konkurrenz zur Schulmedizin“, stellt Bayer klar.
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Die drei Vorstandsmitglieder, die zum Redaktionsgespräch gekommen sind, Bayer, Gisa Reitz und Horst Maiwald, wirken trotz ihres nicht mehr ganz jugendlichen Alters ausgesprochen fit. Maiwald berichtet von täglichen eiskalten Ganzkörperduschen: „Das ist keine Quälerei. Im Gegenteil, das wirkt sehr vitalisierend.“
Zwei Wassertretanlagen betreibt der Kneipp-Verein in Wiesbaden: eine oberhalb vom Chausseehaus und eine im Aukammtal. Hinweistafeln erklären, wie es funktioniert. Erwärmte Füße sind die Voraussetzung, damit im Wasser ein Kältereiz entsteht. Die optimale Wassertemperatur liegt zwischen 12 und 18 Grad. Die Anlage am Chausseehaus stammt aus den 70er Jahren und wird von einem Bach gespeist. Der Wasserzulauf zu dem 2012 eingeweihten Tretbecken im Aukamm ist zurzeit gesperrt: Es hatten sich zu viele Schwebstoffe abgesetzt. Die Stadt reinigt das Becken zweimal die Woche und füllt frisches Wasser ein.
Im Storchengang geht es durchs kühle Wasser. „Sobald man einen Schmerz in der Wade empfindet, sollte man rausgehen“, erklärt Bayer. Danach wird das Wasser von den Füßen abgestreift, nicht abgetrocknet. Ein bisschen mit nackten Füßen rumlaufen, bis sie wieder warm sind und dann eine zweite Runde durchs Becken. So werden Kreislauf und Immunsystem ordentlich angekurbelt. Nicht zu empfehlen ist das Wassertreten bei Nieren- und Blasenleiden oder bei starken Herzproblemen.
Wassergüsse sollen etwa bei müden Beinen helfen, für einen besseren Schlaf sorgen, zur Muskelentspannung beitragen und Tautreten von lästigem Fußschweiß befreien. Aber Kneipp ist mehr als Güsse und Wassertreten. Gisa Reitz, die Schriftführerin des Vereins, ist begeistert von der ganzheitlichen Lehre von Sebastian Kneipp. „Er propagierte insgesamt eine Lehre des ‚alles in Maßen‘“, sagt Reitz. Das empfindet sie keineswegs als Einschränkung, sondern als „wonnige Hilfe“. Die Lehre basiert auf fünf Pfeilern: Wasser, Bewegung, Ernährung, Pflanzen und Balance.
So bietet der Wiesbadener Kneipp-Verein zahlreiche Kurse und Vorträge etwa zur gesunden Ernährung im Alter an, regelmäßig wird gewandert und bei Führungen werden die Heilkräfte von Wildpflanzen erklärt. Auch Yoga- und Qui-Gong-Kurse werden angeboten. Allerdings weitgehend tagsüber, denn der Verein hat keine eigenen Übungsräume und die Turnhallen sind abends meist belegt.
Damit hängt vermutlich zusammen, dass das Gros der Mitglieder die 60 überschritten hat. „Viele kommen, wenn sie die ersten Wehwehchen haben“, hat Bayer festgestellt. In den 70er Jahren hatte der Verein 800 Mitglieder, heute sind es noch um die 300. „Wir sind sehr interessiert, uns zu verjüngen und auch mehr Angebote für Berufstätige zu machen“, sagt Bayer. Bei Familien beliebt ist etwa die Kleingartenanlage des Kneipp-Vereins in Bierstadt, auf der nach ökologischen Grundsätzen Obst und Gemüse angebaut wird.