Welche Richtung schlägt der Wiesbadener Verkehr zukünftig ein? In der Diskussion melden sich nun die Einzelhändler zu Wort - mit einer klaren Botschaft: Eine Verkehrswende...
WIESBADEN. Jetzt schalten sich auch die Wiesbadener Einzelhändler in die Diskussion um die Zukunft des Verkehrs in Wiesbaden ein. Der Regionalbereich Wiesbaden des Handelsverbands Hessen-Süd erklärt: Eine Verkehrswende ist unnötig.
Dieser Begriff „Verkehrswende“ werde derzeit „von einigen Akteuren nicht nur falsch besetzt, die Forderungen für Wiesbaden widersprechen auch den bisherigen Ergebnissen und politischen Entscheidungen“. Das erklären der Vorsitzende des Regionalbereichs Wiesbaden, Thilo Söhngen, und Hauptgeschäftsführer Michael Kullmann.
Man müsse nicht wieder „bei Null“ anfangen
Ebenso für falsch hält es der Verband, wenn der neue Umweltdezernent Andreas Kowol (Grüne) davon spreche, man müsse „bei Null wieder anfangen“. Vielmehr, so Söhngen und Kullmann, könne es nur darum gehen, auch in Wiesbaden ein geändertes Mobilitätsverhalten der Verkehrsteilnehmer und Belange des Umweltschutzes „regional anzupassen“, dabei aber den Individualverkehr nicht beiseitezuschieben. Kowol hatte den Satz, Wiesbaden müsse „bei Null anfangen“ nach Bekanntwerden der jüngsten großen Umfrage zum Fahrradklima des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) gesagt. Wiesbaden war dabei zum dritten Mal in Folge zur fahrradfeindlichsten Großstadt Deutschlands gekürt worden.
Wer in massiver Weise Pkw aus der City verdrängen wolle und weiteren Parkraum zugunsten von Radverkehr opfere, erschwere Kunden und allen anderen Interessierten den Zugang zur Innenstadt, klagt der Handelsverband. Eine einseitig ausgerichtete Verkehrspolitik gefährde den Standort Wiesbaden im Ballungsraum Rhein-Main und die Infrastruktur vor Ort, für die Handel, Gastronomie und andere Dienstleister das Herzstück bilden.
Wiesbaden sei, so Söhngen und Kullmann weiter, laut einer Studie der Hessenagentur eine Zuzugsgemeinde. Letzteres erfordere dann aber, neben einem ausreichenden Wohnbedarf, eine Infrastruktur, die die Bedürfnisse ihrer Bürger abdecke. Wenn man Pläne verfolge, den Individualverkehr aus der Stadt zurückzudrängen, würden zudem auch großflächige Handelsstandorte vor den Toren Wiesbadens begünstigt, die allesamt Hunderte von kostenlosen Parkplätzen anböten.
46,7 Prozent nutzen für Alltagswege das Auto
Die jüngste Studie des Instituts für Handelsforschung aus Köln, „Vitale Innenstädte 2016“, zeige für die hessischen Städte, dass fast 50 Prozent der Besucher einer Innenstadt mit dem Pkw anreisten und hierbei zugleich die Parkverhältnisse eine wichtige Rolle spielten. Auch in der jüngsten Verkehrsstudie der Stadt Wiesbaden unter 2.500 Befragten sei nachzulesen, dass 46,7 Prozent für ihre Alltagswege das Auto nutzen und 63,9 Prozent der Befragten die Parkplatzsituation im nahen Innenstadtbereich für verbesserungswürdig einstuften. Es gelte daher, bei allen zukünftigen verkehrspolitischen Maßnahmen, Handel und Gewerbe in den Entscheidungsprozess einzubeziehen.
Große Vorbehalte hat der Handelsverband auch gegen die generelle Einführung von Tempo 30 in der Landeshauptstadt. Wer Städte damit nahezu flächendeckend zu verkehrsberuhigten Zonen „deklassieren will“, schade letztendlich allen Verkehrsteilnehmern. Vielmehr sollte darüber nachgedacht werden, so der Handelsverband weiter, welche Möglichkeiten es gebe, zäh fließenden Verkehr, Staus und damit mehr Emissionen, durch ein kluges Verkehrsmanagement und -konzept zu verhindern; ein Konzept also, das alle Verkehrsteilnehmer einbinde.
Von Manfred Knispel