Wenn Eltern alt werden: Einsamkeit betrifft viele Senioren

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Es gibt auch in Wiesbaden viele Seniorinnen und Senioren, die sich einsam fühlen. Im Ruhestand gehen die sozialen Kontakte stark zurück. Foto: Adobe Stock/Olga Yastremska, New Africa

Mit dem Alter steigt das Risiko, doch man kann vorsorgen. Wie, das erklärt Iris Groß, Leiterin der Altenarbeit. Und sie kennt vielseitige Aktivitäten, um neue Kontakte aufzubauen.

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WIESBADEN. Nicht nur ältere Menschen fühlen sich bisweilen einsam – doch das Risiko steigt mit zunehmendem Alter, sagt Iris Groß, Leiterin der Abteilung Altenarbeit im Amt für Soziale Arbeit. Weil Menschen in diesen Lebensjahren oft weniger stark eingebunden sind, als in der Berufstätigkeit – die Kinder, wenn es sie gibt, ein eigenes Leben führen. Und vielleicht körperliche Probleme hinzukommen, die dann die Mobilität beeinträchtigen. Bei manchen Menschen spielt auch Altersarmut eine Rolle. Eine aktuelle Studie zeige, so Groß, „dass sich jeder fünfte Senior hin und wieder – oder häufig – einsam fühlt“.

In ihrem Arbeitsalltag hat sie Fälle erlebt, in denen der Pflegedienst den einzigen Kontakt am Tag bedeutete, erzählt Iris Groß. Senioren, die ihre Wohnung seit Jahren nicht verlassen hatten. „Und es gibt Menschen, die wir besuchen, die gar nicht mehr aufhören zu reden, weil ein Gespräch so bitternötig war. Es ist ein gesellschaftliches Thema, das weiter wächst, und durch die Pandemie noch befeuert wird.“

Wann man sich einsam fühlt, ist sehr individuell

In der Gesellschaft habe sich in den vergangenen Jahrzehnten viel verändert, sagt Groß. „Die Mobilität hat zugenommen, Menschen leben inzwischen oft nicht dort, wo sie geboren wurden.“ Kinder nicht dort, wo Eltern leben. Familie und Arbeit unter einen Hut zu bringen, ist schwieriger. Nicht immer sei es deshalb für Angehörige möglich, sich so intensiv um Ältere zu kümmern, wie diese es sich wünschten. „Wann man sich einsam fühlt, ist sehr individuell.“ Manchen reiche vielleicht ein Telefonat im Monat, anderen genüge ein tägliches Telefonat nicht.

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Den Seniorinnen und Senioren rät Iris Groß deshalb, sich selbst zu fragen, wie viel Kontakte sie benötigen, um sich wohlzufühlen. Und diese entsprechend zu suchen. „Soziale Kontakte haben im Leben eine Aufgabe – und man muss sie auch pflegen“. Die Familie allein könne das nicht abdecken. Schrumpfe der eigene Freundeskreis, sollte man „ihn ruhig immer wieder vergrößern“. Und zwar nicht nur mit Bekannten, die man über die Arbeit oder die Kinder kennt.

Eine neue Aufgabe gibt Struktur

Ein wichtiger Übergang im Leben sei immer der Wechsel vom Berufsleben in den Ruhestand. Ist man berufstätig und habe täglich viele Kontakte, sei man oft froh über einen ruhigen Abend daheim auf dem Sofa. „Das kann sich jedoch schnell ändern“, weiß Groß.

Gerade der Schritt in den Ruhestand könne ein guter Zeitpunkt sein, um sich zu überlegen, womit – und mit wem – man künftig seine Zeit verbringen will. Gehe man gerne wandern, kann man sich einer Wandergruppe anschließen. Male man gerne, kann man einen Malkurs belegen. Andere wollen vielleicht eine neue Sprache lernen, dem örtlichen Sportverein beitreten oder ein Theater-Abo abschließen. Vieles sei denkbar. „Auch bürgerschaftliches Engagement ist im Ruhestand ein großes Thema, weil es eine neue Aufgabe und Struktur gibt und Kontakte ermöglicht.“

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Neue Freunde zu finden, ist nie zu spät

Iris Groß weiß, dass es im Alter nicht so leicht ist, Freundschaften zu schließen, wie in jungen Jahren. „Es ist dafür aber nie zu spät.“ Mit dem Wechsel in den Ruhestand sei man nicht allein. „Es finden sich immer Menschen mit ähnlichen Interessen.“ Diesen Ansatz verfolgt auch der Verein „Netzwerk 55plus“, der viele Aktivitäten anbietet.

Zwei Arbeitsgruppen in der städtischen Abteilung von Iris Groß befassen sich ebenfalls mit Angeboten für Senioren. Jährlich wird ein Freizeit- und Kulturprogramm erstellt. Dieses Jahr neu dabei ist das Angebot Kaffeeklatsch, so Groß, „das wirklich gut besucht und beliebt ist. Das ist eine niedrigschwellige Veranstaltung, um neue Menschen kennenzulernen, sich in ungezwungener Atmosphäre zu unterhalten“. Aktuell wird das Programm für 2023 erarbeitet.

Städtische Aktivitäten gibt es „für jeden Geldbeutel“

Für Menschen, die weniger mobil sind, gibt es auch Aktivitäten in fast allen Stadtteilen, erklärt Groß. Sie nennen sich Seniorentreff oder Treffpunkt aktiv und laden ein, gemeinsam Zeit zu verbringen. Auch viele Kirchengemeinden und Vereine haben Angebote speziell für Ältere. „Aber natürlich dürfen Senioren auch zu allen anderen Angeboten kommen – die nicht speziell für Ältere gedacht sind.“

Weil es in Wiesbaden auch Senioren gibt, die über keine großen finanziellen Mittel verfügen, werden städtische Aktivitäten auch vergünstigt angeboten, so Groß. Grundsätzlich „gibt es ein passendes Angebot für jede Geldbörse“.