Es drohen heißere Sommer und mehr Tropennächte. Die Klimprax-Studie zeigt Mainz und Wiesbaden , wie die Städte die Folgen des Klimawandels abfedern können.
WIESBADEN. Dürre und Trockenheit, schwüle Tropennächte, wenig Schlaf: Wiesbaden und Mainz haben einen Leitfaden zum Umgang mit dem Klimawandel an die Hand bekommen. Klimprax heißt die Handlungsanleitung, die auf Daten des Deutschen Wetterdiensts fußt. Beide Städte zusammen bildeten einen Klimaraum, erklärte Thomas Schmid, der Präsident des hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie.
Frischluftschneisen müssten freigehalten und Kaltluft-Entstehungsgebiete erhalten werden, sagte Hessens Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) bei der Vorstellung der Studie. Der Klimawandel treffe in Zukunft die Menschen in der Wiesbadener City sowie an der überwärmten Rheinschiene besonders hart. Die Zahl der heißen Tage und der Tropennächte steige. Im Vergleich zu dem, was zu erwarten sei, wäre der Hitzesommer 2003, in dem es in Westeuropa Tote gegeben habe, noch ein kühler Sommer gewesen. In Mainz schaue es noch ungünstiger aus. Wiesbaden habe Frischluftgebiete, Mainz nicht, sagte der Präsident des Landesamts. Bis jetzt habe man sich von der Fünf-Finger-Theorie vom Luftaustausch aus den Bachtälern leiten lassen, sagte die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne). Jetzt zeige Klimprax, dass eine Bahn aus Wiesbaden über den Rhein führe.
Angerissen wurde bei einem Pressegespräch das umstrittene Wiesbadener Stadtentwicklungsprojekt Ostfeld. Natürlich könne man dort bauen, wenn die Rahmenbedingungen berücksichtigt würden und die Klimafunktionen erhalten würden, sagte Präsident Schmid. Es gebe Hinweise, dass das Projekt Ostfeld mit den Klimaschutzvorgaben vereinbar sei, sagte der Wiesbadener Stadtrat Andreas Kowol (Grüne). Allerdings müssten Kompensationen erfolgen. Etwa durch Aufbrechen von großen, versiegelten Flächen und Verzicht auf Nachverdichtung wie etwa auf dem Elsässer Platz. Sie verlasse sich in Mainz darauf, dass Wiesbaden die Auswirkungen eines Ostfelds so gering wie möglich halte, sagte Dezernentin Eder.
Von der stumpfen Waffe zum scharfen Schwert
Sinn von Klimprax ist es unter anderem, das Thema Klimawandel fester in der Stadtentwicklung zu verankern. Dort komme Klimaschutz als ein „weiches Thema“ meistens zu kurz. Mit der Klimprax-Studie werde das Thema gehärtet, sagte der Präsident des Landesamts, Schmid. Beim Abwägen von Interessen könne es nicht mehr so einfach beiseitegelegt werden. Klimafragen müssten von einer stumpfen Waffe zu einem scharfen Schwert geschliffen werden, sagte Stadtrat Kowol.
Die Studie zielt darauf ab, Umwelt und Stadtplanung deckungsgleich zu machen. Stadtplaner wüssten, dass gesunde Lebensbedingungen das A und O seien. Schlafmangel und zu wenig Erholungspausen zum Durchatmen seien gesundheitsschädlich, sagte Kowol. Beim Umgang mit dem Klimawandel spielten soziale Aspekte eine Hauptrolle. Als erste seien alte Menschen, Kinder und sozial Schwache betroffen, sagte Präsident Thomas Schmid. Anpassungsstrategien müssten dort zuerst greifen, wo es sich die Leute nicht leisten könnten, aufs Land zu ziehen, sagte die Mainzer Dezernentin Eder.
Die Umweltministerin Hinz forderte den Aufbau einer blauen und grünen Infrastruktur in den Städten. „Wir brauchen mehr Grünflächen, mehr entsiegelte Flächen, Trink- und Springbrunnen und offene Bäche“, sagte sie. Es sei an gekühlte öffentliche Räume zum Aufhalten zu denken. Fassaden- und Dachbegrünungen verbesserten das Klima.
Die Wohnungsnot zwinge zu Kompromissen, sagte der Leiter des Landesamts, Schmid. Man brauche bei hoher Dichte nicht gleich zehngeschossig bauen und alles zupflastern. Eine kluge und intelligente Stadtplanung helfe, die Frischluftversorgung zu erhalten. Aufstocken und Nachverdichten seien angebrachter als das Errichten von Einfamilienhäusern in einem Kranz um die Stadt, sagte Ministerin Hinz. Die Klimprax-Studie mache Vorschläge, mit denen Wiesbaden und Mainz direkt arbeiten könnten. Relevant sei die Studie auch als Leitfaden für andere hessische Kommunen, die sich keine gut ausgestatteten Umweltabteilungen leisten könnten.