Das Hessische Staatstheater plant ein Stück über die aktuelle Wiesbadener Kommunalpolitik - Intendant Laufenberg hat schon Regisseurin und Autorin für die Umsetzung engagiert.
WIESBADEN. Wiesbadener Geschichten kann man im Moment ja viele erzählen - vor allem zum Thema „Filzbaden“. Und „Wiesbadener Geschichten“ lautet auch der Arbeitstitel für ein Theaterprojekt, mit dem das Staatstheater der aktuellen Kommunalpolitik einen Spiegel vorhalten wird. Premiere soll zwar erst im Januar 2020 sein, „aber wer weiß, was bis dahin noch alles passiert“, so Intendant Uwe Eric Laufenberg im Interview.
Herr Laufenberg, Sie planen ein Theaterstück zu den aktuellen Geschehnissen in Wiesbaden - das ist doch eine Steilvorlage für einen Autor, oder?
Die Zeitgeschichte diktiert uns die Geschichten ja regelrecht in die Feder. Und die Zeitung tut dabei auch ihre Arbeit. Ich habe auf jeden Fall schon die Regisseurin und die Autorin engagiert.
Wer wird das sein?
Das verrate ich noch nicht, aber es wird jemand sein, der schon mit uns arbeitet.
Und welchen Zeitabschnitt der aktuellen Ereignisse werden Sie auf der Bühne erzählen?
Wir haben uns die Zeit bis zur Oberbürgermeisterwahl vorgenommen. Die Protagonisten können sich übrigens gerne einbringen: Es ist ja für uns auch gut, ihre Seite zu hören. In Köln habe ich selber oft in der Zeitung gestanden, insofern kann ich die Protagonisten in Wiesbaden verstehen - ich weiß, wie es denen geht.
Spielen wir als Zeitung da auch mit?
Wenn Sie mitspielen wollen - gerne. Da können wir drüber reden (lacht). Ansonsten wird der Journalist von einem guten Schauspieler besetzt.
Stehen Sie dabei auch auf der Bühne?
Nein. Wen sollte ich denn da spielen? Ich spiele nicht so gerne Bösewichter (lacht).
Wird das eher eine Komödie oder eine Tragödie?
Im Theater ist das oft eine Satire - und meistens eine bittere. Aber die Sache ist ja noch nicht ausgegangen: Ob das noch eine Tragödie wird, werden wir noch sehen. Das Ganze hat ja mitunter Shakespeare-Format. Es geht ja um tiefe menschliche Emotionen, Bindungen, Verwerfungen. Für uns ist die Frage: Ist es richtig, einen Autor dranzusetzen, der das aus seiner Sicht macht? Oder macht man es mit gesammeltem Material für einen eher spielerischen Abend mit Dokumentationen und Improvisationen? Diese Varianten diskutieren wir zurzeit.
Laden Sie die Protagonisten zur Premiere ein?
Meine Erfahrung damit ist, dass man sie einladen kann - sie aber meistens nicht kommen.
Wie waren denn bei Ihren früheren Stationen die Reaktionen auf solche aktuellen Projekte?
Ich habe über den Kölner Klüngel damals das Buch „Palermo“ geschrieben. In Wiesbaden müsste es wohl „Rimini“ heißen - Kommunalpolitik funktioniert oft nach gleichen Mustern. Aber auch schon in Potsdam haben wir so etwas viel gemacht - Politik auf allen Ebenen auf der Bühne. Ich habe mir dabei viel Ärger eingehandelt, aber ich glaube, dass Theater die Aufgabe hat, Themen anzufassen, die Menschen wirklich bewegen.
Umgekehrt hat das Theater im vergangenen Sommer bei der Biennale viele Menschen bewegt, auch zur Auseinandersetzung damit, was Theater heute sein kann. Wie geht es mit der Biennale weiter, nach dem tragischen Tod von Kuratorin Maria Magdalena Ludewig?
Ich habe mit Martin Hammer, der die Biennale im Duo mit Maria Magdalena Ludewig kuratiert hat, verabredet, dass wir uns nach der Trauerfeier in Berlin dann nächste Woche zusammensetzen und schauen, wie es weitergeht. Ob er überhaupt weitermachen will, und ob wir dann jemanden dazuholen, der den Part der eigentlich unersetzlichen Maria Magdalena Ludewig übernimmt. Die beiden hatten für 2020 schon eine sehr gute Idee.
Dazu brauchen Sie wieder entsprechende Mittel vom Land und von der Stadt. Letztere untersucht zurzeit, ob die Gelder, die ursprünglich für den Kunstsommer gedacht waren, in der Biennale gut angelegt sind.
Wir sind sehr dafür, dass die Kunstsommer-Gelder bei uns bleiben. Es gibt ja auch Stimmen in der Stadt, die meinen, wir machen keine Kunst. Das finde ich sehr ärgerlich.
Inwiefern haben Sie nach der Biennale Veränderungen erlebt? Gibt es Zuschauer, die sich vom Theater abgewandt haben? Und kommen seitdem auch andere Zuschauer zu den normalen Produktionen?
Sowohl als auch. Mancher war durch den Rewe-Markt zum ersten Mal im Staatstheater. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Für mich gehört die Durchlässigkeit zwischen Leben und Theater dazu. Wir haben bei der Biennale den Alltag ins Theater geholt und sind umgekehrt mit Theater und Kunst an Orte des Lebens gegangen.
Ist bei der nächsten Biennale geplant, die Menschen noch mehr mitzunehmen?
Wissen Sie, ich glaube nicht, dass Theater es schafft, die Menschen zu verändern - weder in ihrem Meinungsbild, noch in ihrem Empfinden. Man kann aber, glaube ich, Anstöße dafür geben, dass das, was ist, in eine direktere Auseinandersetzung kommt. Wir können Sachen sichtbar machen. Wenn wir die Konflikte zeigen, wie sie sind, ist das besser als Verdrängung. Für viele Leute sind sie allerdings erst dadurch da, dass das Theater sie gezeigt hat.