Sozialdezernent Manjura muss gehen, will aber zurückkehren

Sozialdezernent Christoph Manjura (SPD). Seine Amtszeit endet demnächst.
© René Vigneron

Im Interview zum Ende seiner Amtszeit spricht Christoph Manjura (SPD) über Erfolge und Niederlagen, über den Awo-Skandal und seine Zukunftspläne in Wiesbaden.

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Herr Manjura, fast die Hälfte Ihrer Amtszeit war von Corona geprägt. Was war daran am schwierigsten?

Christoph Manjura: Der Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Insbesondere die Schulschließungen halte ich im Nachhinein für sehr problematisch. Schulen sind nicht nur Lern-, sondern auch Lebensort. Hier trifft man Freunde, nabelt sich von zuhause ab. Fast die Hälfte des Jahres 2021 bestand für Mittelstufenschüler aus einem Leben zwischen Bett und Schreibtisch. Wir müssen deutlicher benennen, was Jugendlichen in dieser Zeit verlorengegangen ist. Es traf sie noch mehr als die jüngeren Kinder.

Sie sind für die Kitas zuständig: Der Ausbau geht voran, aber es fehlen immer noch Plätze…

Zu Beginn meiner Dienstzeit gab es eine enorme Lücke bei den Elementarplätzen für die Drei- bis Sechsjährigen. Dort fehlten etwa 600 Plätze. Vor einem Jahr fehlten noch 60 Plätze, diese Lücke ist mittlerweile geschlossen . Im Krippenausbau sind wir auch vorangekommen. Weil aber die Jahrgänge 2015 bis 2018 sehr stark sind, konnten wir unsere Quote nicht verbessern. Wir haben Plätze für knapp 40 Prozent der unter Dreijährigen, Ziel ist 50 Prozent. Um dies zu erreichen, fehlen noch knapp 1000 Plätze.

Herausforderung für Kommunen ist die Unterbringung von Flüchtlingen. Aus Wiesbaden hört man wenig Klagen. Haben wir mehr Platz oder weniger Flüchtlinge?

Bis jetzt ist es uns auch Dank hervorragender Arbeit des Sozialleistungs- und Jobcenters gelungen, die gesetzliche Aufgabe der Unterbringung sehr gut zu erfüllen. Wir haben immer ausreichend Kapazitäten gehabt. Aber die Pauschalen, die wir vom Land und vom Bund erhalten, reichen nicht. Und an uns hängen die Folgekosten. Jeder Kitaplatz kostet Geld. Wir unterscheiden doch nicht, kommt das Kind aus der Ukraine, aus Somalia oder aus Bierstadt. 

Wie lief es, als plötzlich so viele Menschen aus der Ukraine hier ankamen?

Da wären wir ohne die private Unterstützung niemals klargekommen. Allein im März 2022 kamen 2500 Geflüchtete aus der Ukraine in Wiesbaden an. Auch derzeit sind noch 60 Prozent der Ukrainer privat untergebracht. Bisher hat Wiesbaden 4000 Ukrainer aufgenommen, insgesamt leben etwa 9500 Flüchtlinge hier. Der Vorteil einer großen Stadt im Rhein-Main-Gebiet ist ein aufnahmefähiger Arbeitsmarkt, der Nachteil ist ein weiter angespannter Wohnungsmarkt.

In Wiesbaden sollen 1200 Wohnungen jährlich entstehen, das hat die Kooperation im Jahr 2017 als Ziel ausgegeben, nur im Jahr 2021 hat das mit 1500 Wohnungen geklappt…

Das ambitionierte Ziel war wichtig. 2011 haben wir ja überhaupt erst wieder angefangen, Neubaugebiete auszuweisen. Daher braucht es Vorlauf bis zu erfolgreichen Fertigstellungen wie im Jahr 2021. Aber der private Baumarkt bricht gerade zusammen, das wird die öffentliche Hand allein nicht kompensieren können. Zumal Baukosten und Zinsen es auch für die Wiesbadener Wohnbaugesellschaft GWW gerade sehr schwer machen.

Verlieren wir dadurch noch mehr geförderten Wohnraum? Der geht in Wiesbaden seit den 1990er Jahren zurück…

Wir werden Ende des Jahres 2023 noch knapp 9.000 geförderte Wohnungen in Wiesbaden haben. Das sind im Saldo sogar 150 Wohnungen mehr als zu Jahresbeginn. Allein im Lindequartier entstehen 170 geförderte Wohnungen durch die GWW. Gleichzeitig fallen im Schnitt jährlich hunderte Wohnungen aus der Bindung oder werden von nicht-städtischen Unternehmen vorzeitig abgelöst. 

Die Stadt kann die Förderquoten anpassen...

Das machen wir doch. 2017 lag sie bei 22 Prozent und bei städtischen Projekten bei 30 Prozent. Seit Mai liegt die verbindliche Quote für geförderte Wohnungen bei 40 Prozent und gilt für alle Bauvorhaben mit mehr als 40 Wohneinheiten.

Wie frustrierend ist es, wenn der Bund das Wohngeld erhöht und Wiesbaden kann die Vielzahl an Anträgen gar nicht bewältigen? 

Wir sind in Wiesbaden jetzt bei 5000 Wohngeldanträgen, die nicht bearbeitet sind. Davon 2400 noch aus dem letzten Jahr. Die Bearbeitungszeit beträgt rund zehn Monate. Die zusätzlich eingestellten Mitarbeiter kompensieren bisher nur die, die in andere Jobs gewechselt sind. 

Die Finanzlage der Kommune ist angespannt, muss Wiesbaden soziale Einrichtungen schließen? 

Viele Ausgaben in unserem Dezernat sind durch den Bund klar vorgegeben. Spielräume haben wir höchstens, wenn nicht genau festgelegt ist, wie umfangreich unser Angebot sein muss. Durch die Vorgaben des Kämmerers kamen wir daher nicht umhin, zum Beispiel auch Jugendzentren auf die Streichliste zu nehmen. 

Also zu schließen? 

Es wäre in Zeiten wie diesen völlig töricht, ein Jugendzentrum zu schließen. Wir werden das noch abwenden.

Klingt mehr nach streitbarem Politiker als nach Verwaltungschef. Welche Rolle hat Ihnen mehr Spaß gemacht – vier Jahre SPD-Fraktionsvorsitzer oder sechs Jahre Dezernent? 

Der Fraktionsvorsitz fiel in eine spannende Zeit, nachdem wir 2013 die OB-Wahl gewonnen hatten. Aber das ist nicht annähernd vergleichbar mit dem Glückszustand, Dezernent für Jugend, Soziales, Bildung, Wohnen und Integration zu sein. Das ist der schönste Job, den man sich vorstellen kann, auch wenn er mit großer Belastung und Verantwortung einhergeht.

Ehe Sie Dezernent wurden, waren Sie bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) angestellt. Wenn Sie dort wirklich als Referent von Geschäftsführerin Hannelore Richter 30 Stunden pro Woche gearbeitet haben, müssen Sie doch deren Machenschaften mitbekommen haben…

Ich habe schon mehrmals eingeräumt, dass ich nicht die vollen 30 Stunden gearbeitet habe und für die Mandatsausübung freigestellt wurde. Trotzdem verstehe ich das öffentliche Interesse an der Frage: Was wusste ich von den Vorgängen, die zurecht öffentlich aufgearbeitet und Teil von Ermittlungen wurden? Ich wusste davon nichts. 

Kam es Ihnen nicht unverhältnismäßig vor, wenn die Awo zum Arbeitsessen auch den Referenten in teure Restaurants einlädt und am Ende mehr als 1000 Euro auf der Rechnung stehen?

Natürlich hätte ich das hinterfragen können. So wie viele andere auch, die bis zur Aufdeckung des Awo-Skandals im Jahr 2019, darüber gesprochen haben, dies aber nie öffentlich thematisiert haben. Die entscheidende Frage in Bezug auf meine Person ist doch: Hat es einen Vorteil für die Awo gegeben, nachdem ich Sozialdezernent wurde? Die Antwort ist: Nein.

Nochmal zu ihrer Zeit als Awo-Referent: Neben diesem Vertrag haben Sie noch Gehalt für einen angeblichen Minijob in der Altenpflege der Awo kassiert, beim Förderverein des Robert-Krekel-Heims… 

Ich kann nachvollziehen, dass das Bekanntwerden dieses Minijobs zu Enttäuschungen geführt hat, aber in vielen persönlichen Gesprächen ist es mir gelungen, mich zu erklären und das einzuordnen. Das hat eine moralische Dimension, die ich zu lange unterschätzt habe. 

Also war es nur schlechte Krisenkommunikation? Oder ein Fehler?

Der Minijob ist der einzige Aspekt, bei dem ich sagen würde: Ja, da hätte es die Möglichkeit gegeben, anders zu agieren. Aber die strafrechtliche Bewertung steht auf einem anderen Blatt. Insgesamt hätte ich mir gewünscht, dass das Verfahren schneller geht. Wir reden über einen Zeitraum von zwei Jahren. Nach Bekanntwerden der Anklagerhebung hätten wir gerne im ersten Quartal den Prozess geführt, über dessen Ergebnis man dann hätte diskutieren können. 

Worüber hätte man bei einer Verurteilung diskutieren sollen?

Über etwas, das zehn Jahre zurückliegt oder über meine sechsjährige erfolgreiche Tätigkeit als Dezernent. Und über zukünftige Herausforderungen in unserer Stadt, die knüppelhart sind und für deren Bewältigung es viel Erfahrung und Kommunikations- und Führungsstärke braucht. Diese Chance wurde mir genommen. 

Sie haben erst erklärt, nicht mehr anzutreten, als die Anklagezulassung bereits feststand. Warum haben Sie das der SPD zugemutet?

Mir war von Beginn an wichtig, mich Kollegen, freien Trägern und Menschen in der Stadtgesellschaft zu stellen. Ich wollte spüren, ob ich noch der richtige sein kann für diesen Job. Ich wurde fast ausschließlich darin bestärkt, weiterzumachen. Damit habe ich mir viel zugemutet, meiner Familie und sicherlich auch meiner Partei und der Stadt insgesamt. 

Ausgerechnet Ihre langjährige Gegenspielerin, die Grüne Christiane Hinninger, die Sie einst als „Rotzlöffel“ bezeichnet hat, wird Bürgermeisterin. Wie sehr schmerzt das?

Demokratie bedeutet Ämter auf Zeit. Aber natürlich schmerzt es, nicht weitermachen zu können. Gerade zu einem Zeitpunkt mit großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Aber es freut mich aus Verwaltung und Öffentlichkeit zurückgespielt zu bekommen, dass man in diesem Amt einen Unterschied machen kann.

Welchen Unterschied haben Sie gemacht?

Das soziale Netz in dieser Stadt ist enger geknüpft. Ob in der Elternbildung, in der Schulsozialarbeit oder mit dem Handlungsprogramm „Jugend ermöglichen“. Wir haben Enormes auf die Beine gestellt, auch die Pandemie in Wiesbaden gut bewältigt. Mir war dabei wichtig, die Arbeit derer, die sonst nicht im Fokus stehen, auch über Soziale Medien in die Stadt zu transportieren. 

Sie sind der „Social-Media-Dezernent“ und aktiver im Netz als andere Wiesbadener Politiker. Warum machen Sie das?

Weil ich damit die Arbeit derer wertschätzen kann, für die ich zuständig bin: im Jobcenter und der Sozialhilfe, beim Kinderschutz in der Bezirkssozialarbeit oder in der Ausländerbehörde. Und um Menschen zu informieren, die leider keine Zeitung lesen. Aber nach dem Ende meiner Amtszeit ist ein digitaler Detox notwendig.

Die Familie kommt auch in den Posts vor... 

Es ist mein privater Account. Und es gibt neben dem Sozialdezernenten Christoph Manjura auch den Familienvater und den Ehemann, auch den Freund und Kumpel. 

Aber muss man nach der Anklageerhebung ein Foto mit Kind als eine Art Schutzschild posten?

Das geschah in einer Extremsituation. Ich bin ein Mensch, mache Fehler und lasse mich da auch kritisieren. Die Kritik an diesem Foto konnte ich nachvollziehen. Aber ich habe keinen Pressesprecher und jeder Post, der von mir veröffentlicht wird, ist auch von mir geschrieben. Ich lebe mit meiner Familie in dieser Stadt. Die letzten zwei Jahre waren alles andere als einfach und haben sich natürlich auch auf meine Frau und meine Kinder ausgewirkt. Das sollte das Foto ausdrücken. Und wie sehr mich meine Familie durch diese schwierige Zeit trägt.

Wird Ihnen angst und bange, wenn Sie daran denken, dass künftig die sehr zurückhaltende Patricia Eck das Dezernat führen wird?

Nein. Angst und bange wird mir nicht, weil die Sozialverwaltung gut aufgestellt ist und weil Personen in Ämter reinwachsen können. Auch ich war 2017 nicht der Gleiche, der ich heute bin. 

Was machen Sie ab 1. Juli?

Wenn man nicht ganz freiwillig geht und den Job so macht wie ich, dann wäre es nicht richtig, sich in den nächsten zu stürzen. Ich werde mir sechs Monate nehmen, um alles zu verarbeiten, um für meine Familie und meine Freunde da zu sein und meinen Frieden zu finden. Ich werde ein politischer Mensch bleiben, vor allem ein sozialpolitischer. Ich habe bewiesen, was ich kann und bin mir sicher, es wird sich eine Tür öffnen. Ob das in einer Verwaltung im Rhein-Main-Gebiet ist, in der Sozialwirtschaft oder in der Wirtschaft, das weiß ich noch nicht. 

Und eine Rückkehr in die Politik?

Eine Rückkehr in die Politik schließe ich nicht aus.