„Der könnte ja endlich mal aufgehen.“ Tina ist sauer, dass sie auf der Anhöhe südöstlich der Sternwarte Urania, die sich am Gelände der Martin-Niemöller-Schule...
WIESBADEN. „Der könnte ja endlich mal aufgehen.“ Tina ist sauer, dass sie auf der Anhöhe südöstlich der Sternwarte Urania, die sich am Gelände der Martin-Niemöller-Schule befindet, nichts von der Mondfinsternis mitbekommt. Dabei ist sie zu sehen, die längste totale Mondfinsternis dieses Jahrhunderts, bei der der Mond in den Schatten der Erde eintaucht und sich im Licht der von der Sonne angestrahlten Erde in spektakulärem Orange-Rot präsentiert.
Allerdings: Es ist noch sehr hell nahe dem Wartturm in Bierstadt und es dauert lange, bis sich das Spektakel in seiner ganzen Pracht entfaltet. Nicht alle der geschätzten 500 Besucher, die es sich teils mit Decken und Picknickkörben auf dem abgeernteten Feld neben einem Zuckerrübenfeld gemütlich gemacht haben, bringen so viel Geduld auf. Nach 22 Uhr ist ein reges Gehen zu beobachten. Die, die bleiben, werden zusätzlich mit der Beobachtung des Überflugs der Internationalen Raumstation ISS belohnt.
„It never rains in Southern California“ sang Albert Hammond vor mehr als 45 Jahren. Sein Hit, der beim Wartturmfest des Heimatvereins Bierstadt nahe der Beobachtungsstelle erklingt, dringt auch Alfred Schott in die Ohren. Doch es ist unwahrscheinlich, dass der Leiter der Geschäftsstelle der Astronomischen Gesellschaft Urania Wiesbaden ihn wirklich wahrgenommen hat. Denn Schott ist zu beschäftigt mit der Einrichtung seines aus dem Jahr 1983 stammenden kleinen Teleskops mit einer sechs Zentimeter großen Öffnung. „Eingenordet ist schon mal“, begrüßt er Vereinsmitglieder, von denen etliche ebenfalls mit Teleskopen und digitalen Spiegelreflexkameras ausgerüstet sind.
Viele Gäste haben ein Fernglas dabei
So wie Peter Bentz. Der Taunussteiner weist den Besuchern aber auch mit seinen in die sehr trockene Erde geschlagenen Schildern den Weg von der Sternwarte zur Beobachtungsstelle und erklärt den Ablauf des Abends: Um 21.11 Uhr geht der bereits verfinsterte Mond auf, die Sonne geht erst um 21.15 Uhr unter, um 21.30 Uhr befindet sich der Mond komplett im Kernschatten der Erde – und die totale Verfinsterung beginnt. An diesem Abend befinden sich aber auch vier Planeten – Venus, Jupiter, Saturn und Mars – über dem Horizont. Es sind viele Besucher, die sich schließlich bis weit nach Mitternacht in der kleinen Sternwarte aufhalten, um sich diese Konstellation zeigen und erklären zu lassen.
Noch gegen 20 Uhr hatte man beim Verein Urania, der rund 90 Mitglieder zählt, Sorge, dass sich die Wolken womöglich nicht verziehen würden. Doch sie taten den Menschen, die sich klugerweise vielfach mit einem Fernglas bewaffnet hatten, den Gefallen. „Fotos mit dem Handy“, hatte Bentz schon früh am Abend erklärt, „werden wohl nichts werden“. Er sollte Recht behalten.
Das stundenlange Stehen und Warten ist für viele Besucher dennoch nicht vergebens. Sie haben für den Besuch in Bierstadt – bei hochsommerlichen Temperaturen auch am späten Abend – vorsorglich zumindest Getränke mitgebracht. Neidvolle Blicke gelten jenen, die ihren Wein aus einem Glas genießen oder mit verlockend duftender Pizza auf die Anhöhe anreisen.
Wie am Rande zu erfahren ist, hielten viele Wiesbadener das Jagdschloss Platte für einen guten Ort zur Beobachtung der totalen Mondfinsternis. Mit dem Ergebnis, dass etliche unverrichteter Dinge wieder wegfahren mussten: Der Parkplatz sei hoffnungslos überfüllt gewesen. Kleiner Trost: Bei der Rückkehr in die Stadt ist gut zu beobachten, wie der Mond aus dem Kernschatten der Erde tritt und Schritt für Schritt wieder heller wird, bis er um 1.30 Uhr den Halbschatten komplett verlässt. Die Mondfinsternis ist zu Ende.