Nordhessische Klimaaktivisten haben am Mittwoch mit einer ungewöhnlichen Kletteraktion auf dem Wiesbadener Schlossplatz auf sich aufmerksam gemacht.
WIESBADEN. „Es gibt keinen GRÜNEN Kapitalismus“ steht auf dem Banner, das sich am späten Vormittag pünktlich zur Marktzeit quer über den Eingang zum Schlossplatz am Dernschen Gelände zieht. Klimaaktivisten aus Nordhessen haben sich in einer spektakulären Kletteraktion an einem Laternenmast sowie der ersten Fahnenstange von dreien vor dem Rathaus nach oben gehangelt und hängen nun jeweils links und rechts neben ihrem Banner freischwebend in der Höhe. Zwei weitere hängen an eigens aufgestellten Tripoden. Die meisten haben das Gesicht verhüllt. Nicht aber ihre Mitstreiter, die unten stehen, einen Infostand aufgestellt haben mit dem Transparent „Beton kann man nicht essen“ und dort Flyer verteilen.
Man sei „ein loser Zusammenschluss“ von Aktivisten, berichtet einer, die gegen Landschaftsversiegelung eintreten. Ihr Beispiel: Ein neues Logistikzentrum, das im nordhessischen Neu-Eichenberg gebaut werden soll. Dort wolle der Bensheimer Investor Dietz AG 80 Hektar Ackerland, also über 100 Fußballfelder, bebauen, „fruchtbarer Boden, der noch Eigentum des Landes Hessen ist“. Dagegen protestiere man bereits seit Mai dieses Jahres mit Besetzung vor Ort, aber nun auch auf dem Schlossplatz vor dem Landtag: „Denn hier spielt die Musik.“
Entsprechend prangt auch ein Banner oben am derzeit mit Gerüst verhängtem Stadtschloss: „Bodenschutz ist und bleibt Handarbeit“ steht da, und weiter: „Klimarebellion jetzt!“ Man identifiziere sich mit den Forderungen von „Fridays for Future“, so ein Aktivist. Die Formulierung im schwarz-grünen hessischen Koalitionsvertrag, dass die Sicherung von landwirtschaftlichen Flächen wichtig sei und Bodenverbrauch reduziert werden solle, bezeichnen die Aktivisten als „Worthülsen“.
Am Stand herrscht mittlerweile Betrieb. Marktbesucher und Passanten bekräftigen, dass auch in Wiesbaden zu viel Flächen verbraucht würden. Es fällt das Stichwort „Ostfeld“. Zuerst kommt die Stadtpolizei hinzu, es folgen die Kollegen von der Landespolizei, die zunächst den Bereich um das gehisste Transparent absichern. Klar ist, es soll geräumt werden, schließlich befindet man sich in der Bannmeile des Landtags, aber die Aktivisten hängen in Tüchern und auf Schaukeln hoch oben. Zunächst unerreichbar. Verstärkung rollt an. Immer mehr Polizei wird zusammengezogen, Einsatzfahrzeuge sperren weiträumig ab, Sprungkissen werden aufgeblasen.
Das Polizeipräsidium entschied sich dann um, wie Polizeisprecher Hoffmann am späteren Nachmittag mitteilte. Man „räumte“ die Aktivisten nicht, sondern ließ sie in ihren Klettergurten in fünf Metern Höhe hängen. „Die kommen irgendwann runter, dann stellen wir ihre Personalien fest“, so Hoffmann.