Der Bericht des Wiesbadeners Philip Flämig über den tödlichen Unfall am K2 hat für Empörung gesorgt. Eine Initiative hat 100.000 Euro für die Familie des Opfers gesammelt.
Wiesbaden/Gilgit-Baltistan. Die Tragödie um den verunglückten pakistanischen Träger am K2 und die unterlassene Hilfeleistung anderer Seilschaften schlägt hohe Wellen. Mittlerweile haben nicht nur soziale Medien, sondern auch zahlreiche Zeitungen und Fernsehsender Berichte des Wiesbadener Kameramannes Philip Flämig, der für „Servus-TV“ am Berg drehte und seine Eindrücke direkt nach Rückkehr dem Kurier schilderte, und seines Tourmitglieds Wilhelm Steindl, einem Tiroler Hotelier und Bergsteiger, aufgegriffen. Die beiden Bergsteiger belegten anhand ihres eigenen Film- und Fotomaterials als auch aufgrund von Augenzeugenberichten, wie der 27-jährige Mohammad Hassan, der erstmals als Hochgebirgsträger in mehr als 8000 Metern Höhe eingesetzt war, verunglückte und hilflos liegen blieb. Während andere, darunter die Rekordkletterin Kristin Harila, nach neuen Bestmarken jagten. Die Regionalregierung von Gilgit-Baltistan hat eine umgehende Untersuchung der Vorkommnisse veranlasst.
Enorme Spendenbereitschaft für Familie des verunglückten Trägers
Die große Aufmerksamkeit und auch öffentliche Empörung über die Auswüchse des kommerzialisierten Hochalpinismus ist das eine, eine enorme Spendenbereitschaft für die Hinterbliebenen des verunglückten Trägers das andere. Steindl und Flämig, die die Familie direkt vor Ort im Shigar Valley aufgesucht und mit Bargeld unterstützt hatten, haben eine Kampagne gestartet, um der Witwe Hassans und den drei kleinen Kindern sowie seiner diabeteskranken Mutter zu helfen. Binnen Kurzem, bereits am Freitag, wurde die avisierte Summe von 100.000 Euro erreicht.
Über 2400 Spender haben es möglich gemacht, dass den Hinterbliebenen sowohl dringend benötigte Medikamente, Kleidung und Lebensmittel geliefert werden können, als auch eine Schulbildung für die drei Söhne ermöglicht wird, wie Steindl auf seinem Spendenportal berichtet. Dazu ist er neben der Familie auch mit anderen Ansprechpartnern vor Ort in Kontakt. Damit das Geld auch zu 100 Prozent ankommt und nicht in andere Kanäle sickert, hat er bereits einen Plan ausgeklügelt. Die Familie erhält monatlich einen kleinen existenzsichernden Betrag, die Schul- oder Internatsausbildung der Jungs wird gegen Rechnung bezahlt. Der Tiroler will zur weiteren Organisation der Hilfsaktion demnächst wieder in die Region reisen.
Beitrag von Everest Today auf Twitter
Neue Details zum Unglück am K2
Derweil wurden neue Details des Unfalles bekannt. Mindestens zwei Lawinen sollen laut Augenzeugenberichten während des Aufstiegs zur Schlüsselstelle „Flaschenhals“ in 8200 Metern Höhe abgegangen sein. Um 2.30 Uhr nachts sei der pakistanische Hochträger Mohammad Hassan, der für die zahlenden Gipfelstürmer ein Fixseil verlegte, abgerutscht und mehrere Meter in die Tiefe gestürzt sein. Dort sei er mit nackten Beinen kopfüber im Fixseil hängen geblieben. An der Absturzstelle sei ein neues Seil befestigt worden, um den Kunden den weiteren Aufstieg zu ermöglichen. Es habe 45 Minuten gedauert, hat Flämig in Erfahrung gebracht, bis der Verunglückte überhaupt hochgezogen wurde. Währenddessen seien Dutzende Bergsteiger an ihm vorbeigezogen. Außer einem einzigen Kollegen, der dem Verletzten den Oberkörper massierte, habe sich keiner gekümmert. Das dementieren mittlerweile einige der Gipfelstürmer von diesem Tag in eigenen Videobotschaften. Anderen Berichten zufolge soll der Schwerverletzte sogar nach den Füßen der Vorbeiziehenden gegriffen haben, um Hilfe zu erhalten. Es habe aber nichts genutzt.
Flämig und Steindl, die aufgrund der Lawinen ihre Tour abgebrochen hatten, erheben jedenfalls schwere Vorwürfe wegen der unterlassenen Rettungsmaßnahmen und den katastrophalen Arbeitsbedingungen gerade der pakistanischen Höhenträger. So sei Mohammad Hassan sowohl schlecht ausgebildet, als auch unzureichend ausgestattet gewesen sein. Sein Veranstalter „Lela Peak Expeditions“ habe sich geweigert, Lohn zu zahlen, da der Träger seine Arbeit nicht erledigt habe. Bei einem Westler, ist sich Steindl sicher, wäre das anders gelaufen. Hassan sei wie „ein Mensch zweiter Klasse“ behandelt worden. Eine Diskussion über die Ethik des Bergsteigens, die Verantwortung der Veranstalter und die Solidarität in extremen Höhenlagen sei dringend notwendig, meint auch der Wiesbadener Kameramann und Alpinist Philip Flämig.