Ein Jahr lang waren die Angeklagten im Badewannen-Mordprozess in Untersuchungshaft. Nun sieht das Wiesbadener Gericht keinen dringenden Tatverdacht mehr.
WIESBADEN. „Anhaltspunkte für einen dringenden Tatverdacht sind aus Sicht der Kammer nicht mehr gegeben“, sagt Vorsitzender Richter Jürgen Bonk am Donnerstag. Der Haftbefehl gegen die beiden Angeklagten sei daher aufzuheben gewesen. Nach einem Jahr in Untersuchungshaft sind Michael D. und seine Lebensgefährtin Kathleen B. aus Lorch wieder auf freiem Fuß. Am Montag war ihren Verteidigern die Entscheidung übermittelt worden.
Es ist die zwingende juristische Folge aus den 14 Verhandlungstagen vor der Schwurgerichtskammer im sogenannten Badewannen-Mordprozess. Michael D., ein ehemaliger Polizist, und Kathleen B. hatten sich seit Januar 2019 zu verantworten. Die Anklage hatte ihnen einen Mord aus Habgier vorgeworfen, heimtückisch begangen. Der ungeklärte Tod der Anne D., der Ehefrau, die am 24. Oktober 1997 tot in der Badewanne gefunden worden war. Ertrunken, wie die Obduktion ergab.
Prozess nach über 20 Jahren
Warum aber kam es dazu, dass eine 32-jährige kerngesunde Frau in der Badewanne ertrinkt? Die bisherige Beweisaufnahme hat keine zweifelsfreie Antwort liefern können, unter welchen Umständen die junge Mutter zu Tode kam. Das Dilemma dieses Todesfalls und der dann folgenden Ermittlungen bis hin zu einem Prozess nach über 20 Jahren lässt sich in einem Satz bündeln: „Alle Sachverständigen haben in sehr vielen Alternativen gedacht“, sagt Bonk. Das müssen Sachverständige, aber sie haben bei den Alternativen Suizid, Sturz oder Tod durch fremde Hand keine für so wahrscheinlich gehalten, dass es dem Gericht hilfreich hätte sein können. Keine der Varianten wurde zur Gänze ausgeschlossen.
Dass die Angeklagten nun frei kamen, ist nach der bisherigen Beweisaufnahme kaum überraschend. Bonk spricht zwar von einer „vorläufigen Bewertung“, aber das ist Formsache. Wo sollten neue Erkenntnisse herkommen? Staatsanwaltschaft und Anwälte der Nebenklage (sie vertreten Mutter und Bruder der Toten) haben bis 4. April Zeit, Möglichkeiten einer weiteren Aufklärung zu benennen.
Die juristische Aufarbeitung im Jahr 2019 hat bei allen Anstrengungen elementare Versäumnisse aus dem Oktober 1997 nicht beheben können. Der damalige Bereitschafts-Staatsanwalt hatte keine Veranlassung gesehen, Experten der Rechtsmedizin vor Ort zu schicken. Sie wurden so um die Möglichkeit gebracht, den Leichnam in der Wanne zu sehen, in der Original Spurenlage, um so sicherere Rückschlüsse zu gewinnen. Sie sahen den Leichnam erst viele Stunden später, nachdem er aus der Wanne geborgen, nach Wiesbaden transportiert und hier zur Obduktion vorbereitet wurde.
Eine gänzlich andere Situation, die keine zweifelsfreien, ja noch nicht einmal wahrscheinliche Erklärungen der vielen kleinen Verletzungen am Körper der Frau zuließ. Dass Michael D. das Wasser abgelassen hatte, nahm zudem die Möglichkeit, den Todeszeitpunkt näher zu bestimmen. Den Reigen der Versäumnisse hatten seine Kollegen der Polizeistation Rüdesheim eröffnet. Sie hatten sich in der Nacht vorrangig als Tröster des Witwers betätigt, und in dem Kollegen keinen möglichen Verdächtigen gesehen. Was die Umstände aber nahegelegt hätten.