Das Buch erzählt vom Leben zweier Frauen, die beide im Oktober 1899 geboren wurden. Es handelt sich um die Großmütter der Autorin zwei starke Frauen, denen Schlimmes...
WIESBADEN. „Zwei Handvoll Leben“, der neue Roman von Katharina Sulzbach, den sie unter ihrem Mädchennamen Fuchs veröffentlicht hat, basiert auf ihrer eigenen Familiengeschichte.
Frau Sulzbach, in Ihrem neuen Roman erzählen Sie vom Leben zweier Frauen, die beide im Oktober 1899 geboren wurden. Anna in einem kleinen Ort im Spreewald und Charlotte auf einem Hofgut in Sachsen. Es handelt sich um Ihre Großmütter, zwei starke Frauen, denen viel Schlimmes widerfahren ist und die sich erst 1953, bei der Hochzeit Ihrer Eltern, zum ersten Mal begegnen. Was war der Auslöser, über sie zu schreiben?
Von klein auf habe ich mich für unsere deutsche Vergangenheit interessiert. In meiner Familie wurde davon sehr viel gesprochen. Wenn meine Oma Charlotte, meine Tanten und Onkel von unserem Hofgut in Sachsen erzählten, habe ich alles aufgesaugt und wenn es bei meiner Oma Anna um die 20er und 30er Jahre in Berlin ging, lauschte ich besonders aufmerksam. Schon vor 15 Jahren begann ich deshalb meinen Roman über Anna und Charlotte. Doch dann habe ich ihn noch einmal ruhen lassen und andere Bücher geschrieben. Das hat ihm übrigens gutgetan.
Haben Sie Anna und Charlotte noch persönlich kennengelernt?
Ja, zum Glück! Sonst hätte ich das Buch nicht schreiben können. Sie sind erst 1982 und 1987 gestorben. Besonders zu meiner „Berliner“ Oma Anna hatte ich ein sehr enges Verhältnis. Sie war ein besonders warmherziger und altruistischer Mensch. Meine sächsische Oma Charlotte hat den Charakter der Gutsherrin niemals ganz abgelegt. Schließlich hat sie das riesige Hofgut durch den Zweiten Weltkrieg hindurch navigiert.
Bei der Lektüre taucht man in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ein und merkt wieder einmal, dass sich Geschichte am besten anhand von Einzelschicksalen begreifen lässt. Wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen? Gab es Briefe oder Tagebücher?
Ich habe tatsächlich ein Tagebuch von Charlotte, das sporadische Einträge von 1933 bis 1953 enthält. Und ganz wichtig: Meine Eltern, 89 und 93 Jahre alt und geistig voll auf der Höhe. Sie haben mir unendlich viele Fragen beantwortet, auch solche, über die früher eher geschwiegen wurde. Gemeinsam wurden alte Fotos gedeutet. Das hat uns alle drei sehr berührt. Die Recherche war aufwendig. Unzählige Abende habe ich alle Geschichtsdokumentationen angeschaut, die ich in den Mediatheken finden konnte, tagsüber historische Sachbücher gelesen, historische Museen besucht, natürlich auch die früheren Wohnorte meiner Großmütter.
Welche Erkenntnisse der Leserinnen würden Sie sich wünschen?
Ich wünsche mir von Herzen, dass die LeserInnen mein Buch zum Anlass nehmen, sich mit ihrer eigenen Familiengeschichte zu beschäftigen. Wenn es noch Großeltern, Eltern, Tanten und Onkel gibt, die das letzte Jahrhundert miterlebt haben, sollte jeder die Gelegenheit nutzen, mit ihnen zu sprechen und Fragen zu stellen. Sie ist das Fundament unserer Gesellschaft, das uns stabilisiert und uns den Weg weist. Und die letzten Zeitzeugen können sie jetzt noch lebendig machen.
Ihre „Westendladies“-Bücher waren auch deshalb so erfolgreich, weil Sie die Frankfurter High Society ebenso gnadenlos wie amüsant zur Schau stellen. Ihr neuer Roman ist einem ganz anderen Genre zuzuordnen und erscheint unter Ihrem Mädchennamen. Ist Ihnen beim Schreiben der Wechsel von der Satire zum historischen Frauenroman schwergefallen?
Nein gar nicht! Vor allem weil ich die Geschichte von Anna und Charlotte schon vor den „Westendladies“ angefangen hatte, aber mir fehlte damals noch die Vision für den großen Roman. Vor zwei Jahren hat meine Literaturagentur diese ersten 100 Seiten bei mir „ausgegraben“ und das Romanprojekt auf der Frankfurter Buchmesse unter den Verlagen sehr erfolgreich versteigert. Danach wurde „Zwei Handvoll Leben“ zu einer Herzenssache.
Das Interview führte Verena Hoenig.