Verdi bringt viele Branchen auf Wiesbadens Straßen

Warnstreik in Wiesbaden. Protest auf dem Stresemannring.

Etwa 1200 Beschäftigte sind am Dienstag einem Streikaufruf der Gewerkschaft Verdi gefolgt. Busse blieben im Depot, Kitas waren zu und auch der Müll blieb stehen.

Anzeige

Wiesbaden. So viele wie diesmal waren bei Streiks in Wiesbaden lange nicht dabei. Pflegekräfte, ELW-Leute, Statistisches Bundesamt, Erzieherinnen, Tiefbauamt und Busfahrer. Alle sind am Dienstag im Ausstand, um der Gewerkschaftsforderung nach 10,5 Prozent mehr Lohn und mindestens 500 Euro monatlich Ausdruck zu verleihen. Verdi spricht von etwa 1000 Teilnehmern, die Polizei sogar von 1200.

Trillerpfeifen und rhythmisches Trommeln, Ratschen und Rufe: Wir sprechen mit Mitarbeitern der Entsorgungsbetriebe (ELW) auf dem Bahnhofsvorplatz Sie wollen mehr Geld und mehr Anerkennung „und weniger Aufträge an Fremdfirmen“ fordern die Männer. Von der Naspa Direkt Service GmbH sind laut Streikenden etwa 70 Leute zum Bahnhof gekommen. Unsere Gesprächspartner arbeiten im Online-Support. Vor allem die unteren Lohngruppen müssten angehoben werden, finden sie. 

Pflegekräfte, ELW-Leute, Statistisches Bundesamt, Erzieherinnen, Tiefbauamt und Busfahrer streiken heute gemeinsam – sie fordern mehr Gehalt.
Die Streikenden am Wiesbadener Hauptbahnhof fordern vor allem mehr Lohn – aber auch mehr Wertschätzung.
Schilder von Statistischen Bundesamt, Fahnen von Verdi, GEW, Gewerkschaft der Polizei sind zu sehen. Viel los an diesem Streiktag.
Anzeige

„Alles wird teurer, man kann ja nichts mehr sparen“, sagt ein Mitarbeiter des städtischen Tiefbauamts, dessen Miete kürzlich um 75 Euro erhöht wurde. Mindestens sieben Prozent mehr müssten herauskommen bei den Verhandlungen, findet er. Wie viele hier ist er optimistisch, dass die dritte Verhandlungsrunde nächste Woche zum Erfolg führen kann.

Eine Erzieherin fasst die Lage in ihrem Beruf so zusammen: Wir sind zu wenige, es ist zu anstrengend. Wir brauchen mehr Leute und mehr Geld. Acht städtische Kitas bleiben zu an diesem Tag. In anderen gibt es eine Notbetreuung. Schilder vom Statistischen Bundesamt, Fahnen von Verdi, GEW und der Gewerkschaft der Polizei sind zu sehen. Vom Bahnhof aus verläuft der Demonstrationszug über den Gustav-Stresemann-Ring, die Frankfurter Straße und in die Innenstadt, bevor dann am Dernschen Gelände eine Abschlusskundgebung stattfindet. Anja Golder von Verdi begrüßt nicht nur die einzelnen Berufsgruppen, sondern auch Gäste aus dem Rheingau-Taunus-Kreis und dem Kreis Limburg-Weilburg, die nach Wiesbaden gekommen waren. „Wir werden einen Reallohnverlust nicht hinnehmen”, insbesondere nicht in einer teuren Gegend wie Wiesbaden. Immer wieder wird von der Bühne aus die Forderung nach 500 Euro monatlich mehr, 200 mehr für Auszubildende, erhoben. „Es geht hier nicht um den dritten Ferrari, es geht darum, dass man sein ganz normales Leben finanzieren kann”, heißt es. Großer Beifall der Streikenden.

Noch mehr Stau als sonst: Weil keine Busse fahren, sind viele mit dem Auto unterwegs.
Beschäftigte verschiedenster Branchen des öffentlichen Dienstes sind auf der Straße.
Kein Bus, weil gestreikt wird. Die Wiesbadener müssen sich anderweitig fortbewegen.

Auch die Gesundheitsberufe sind gut vertreten auf dem Dernschen Gelände. „Dieses Gesundheitssystem macht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter krank”, sagte Vladislav Golyschkin, Krankenpfleger auf der Palliativstation an den Helios Dr. Horst-Schmidt-Kliniken. Er liebe seinen Beruf und mache diesen immer noch gerne. Aber die Bedingungen müssten sich verbessern, wenn man weitere Leute von einer Tätigkeit in der Pflege überzeugen wolle. Eine Mitarbeiterin der HSK-Psychiatrie kritisierte erneut, dass die Pflegekräfte in dieser Abteilung keinen Corona-Bonus erhalten hätten. Tagtäglich habe man es mit schwer angeschlagenen Menschen zu tun. Diese Arbeit müsse viel mehr Anerkennung finden. Klatschen wie in der Corona-Pandemie, so die Gesundheitsleute, reiche nicht. Auch städtische Sozialarbeiter und weitere Redner fordern bessere Arbeitsbedingungen auf der Bühne am Dernschen Gelände. Einrichtungen wie das Jugendinformationszentrum (JiZ) bleiben auch geschlossen an diesem Tag.

Anzeige

Und dann appelliert ein kämpferischer Marcel Schmelz, Geschäftsführer von Verdi Wiesbaden, nochmal an alle, die gekommen sind, weitere Kolleginnen und Kollegen vom Streik zu überzeugen. „Wir müssen noch mehr werden und wir müssen noch lauter werden”, ruft er. Dann schrillen nochmal die Trillerpfeifen. „Macht was aus diesem Tag”, ruft Gewerkschaftssekretärin Anja Golder den Streikenden zu, die die Fahnen einrollen und langsam das Dernsche Gelände verlassen. Vermutlich, meinte Marcel Schmelz, „werden wir uns hier bald wiedersehen.”