Fast 50 Transporte in 25 Jahren

1991 begannen die Auszubildenden der R + V-Versicherung, die gleichzeitig Schüler von Maria von Pawelsz-Wolf waren, Hilfsgüter zu sammeln. Foto: Partnerschaftsverein Kamenez-Podolski
© Partnerschaftsverein Kamenez-Podolski

Der Partnerschaftsverein „Wiesbaden-Schierstein-Kamenez-Podolski“ feiert Jubiläum. Was mit Hilftransporten begann, bietet heute Unterstützung beim Aufbau von Existenzen.

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WIESBADEN. Weggefährten und Unterstützer aus 25 Jahren haben sich in der Chefetage der R + V-Versicherung versammelt: Maria von Pawelsz-Wolf feiert das Jubiläum ihres Partnerschaftsvereins „Wiesbaden-Schierstein-Kamenez-Podolski“.

1991 begannen die Auszubildenden der R + V-Versicherung, die gleichzeitig Schüler von Maria von Pawelsz-Wolf waren, Hilfsgüter zu sammeln. Foto: Partnerschaftsverein Kamenez-Podolski

Der Versicherungskonzern hat ihr die Türen bereitwillig geöffnet, weil es seine Auszubildenden waren, mit denen in den 90er Jahren alles begann: Damals war Maria von Pawelsz-Wolf Berufsschullehrerin an der Schulze-Delitzsch-Schule.

„Unsere Schülerinnen und Schüler wollten nach der Wende helfen, und zwar ganz direkt“, erinnert sie sich. Ein Kontakt mit einem Lehrer aus der ukrainischen Stadt Kamenez-Podolski ergab dann den Startschuss für die erste Sammelaktion für bedürftige Menschen: Der Lehrer lieferte eine Liste derjenigen, die Hilfe brauchten. Und genaue Listen wurden auch immer weiter geführt: Wohl kaum eine Hilfsorganisation dürfte so akribisch dokumentiert haben, wer vor Ort etwas erhalten hat. 1991 begannen die Azubis, Hilfsgüter zu sammeln. Im Januar 1992 wurde der erste Sattelschlepper vollgeladen, „damals noch völlig durcheinander, Säcke, Pakete, alles durcheinander“, sagt von Pawelsz-Wolf beim Diavortrag zum Jubiläum.

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Es sollten insgesamt fast 50 Hilfstransporte werden, die immer von Wiesbadenern mit PKW begleitet wurden. Beladen wurde in allen möglichen Hallen rund um Wiesbaden: Mal waren es die Johanniter, mal die Bundeswehr, mal die Firma Linde oder der Schlachthof, wo sich alles stapelte: Krankenhauseinrichtungen, Rollstühle, Weinpressen, Nähmaschinen, Textilien, Sanitärausstattungen. Alles wurde in der armen Gegend rund um die Stadt dringend gebraucht. „Gib einem Hungernden einen Fisch, und er wird satt. Gib ihm eine Angel und lehre ihn zu fischen, und er wird nie wieder hungern“, zitiert von Pawelsz-Wolf Konfuzius als Leitmotiv für ihr Handeln. Denn sie wollte von Anfang an Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Und so gibt es heute zum Beispiel einen Friseursalon in Kamenez-Podolski, der ihren Namen trägt: „Pani Maria, mein erstes Denkmal“, sagt die Pensionärin humorvoll.

Krankenhäuser und Arztpraxen, Schuster- und Druckerwerkstätten, Universitätsbibliotheken und allerlei andere Institutionen hat der Verein mit dem nötigen Zubehör ausgestattet, damit vor Ort die Wirtschaft im Kleinen Aufwind bekam. Endlose Verhandlungen mit dem Zoll und andere Anekdoten, die vor allem vom Engagement vieler Helfer auf deutscher und ukrainischer Seite handeln, weiß die Gründerin zu erzählen.

Ein „Cafe Drei Lilien“ wurde mit dem Inventar eines deutschen Chinarestaurants hergerichtet, heute versorgt es bedürftige Menschen mit „Essen auf Füßen“: Wer es nicht hinschafft, bekommt das Essen gebracht. Das Haus des Vereins liegt zufällig auf dem Gelände des ehemaligen Judenghettos in der Stadt.

Maria von Pawelsz-Wolf sieht ihre Arbeit auch als Friedens- und Versöhnungsarbeit, denn dem entsetzlichen Massaker von Kamenez-Podolski, von Deutschen verübt, fielen am 5. August 1941 über 23 000 jüdische Bürger der Stadt zum Opfer.

Vom Hilfspäckchen, zur Ausbildungsunterstützung

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Dass sie von der Stadt Wiesbaden nun mit einem Orden ausgezeichnet wurde, macht sie froh, aber den Orden – genau wie das später erhaltene Bundesverdienstkreuz – widme sie ihren vielen Helferinnen und Helfern, sagt die mittlerweile in Potsdam lebende Vereinsgründerin. Der Verein organisiert keine Hilfstransporte mehr, kümmert sich aber um die Ausbildung junger Ukrainer in Wiesbaden und vergibt Kleinkredite zum Aufbau von Existenzen. „Helfen Sie uns bitte weiter“, verliest sie aus dem warmherzigen Brief der ukrainischen Organisatorin Raissa Pawlukowytsch.