Der ehemalige Staatsrat Dirk Reimers war anlässlich des fünften Neujahrsempfangs der Freimaurerloge Plato in Wiesbaden zu Gast und referierte über Europa.
WIESBADEN. Das Johannisfest zu Ehren Johannes des Täufers, dem Schutzpatron der Freimaurer, wird in den meisten Logen der Welt gefeiert. Auch bei der Freimaurerloge Plato zur beständigen Einigkeit in Wiesbaden. Und da sich das Johannisfest für die Freimaurer mit Neujahr verbinde, erklärt Richard Lewinsky, Meister vom Stuhl Loge Plato, komme es zur „kalendermäßig besonderen Exklusivität“ eines Neujahrsempfangs im Juni.
Der fünfte Neujahresempfang der Loge Plato fordert den zahlreich geladenen Gästen im Großen Saal der Freimaurerloge in der Friedrichstraße ob schweißtreibender, hochsommerlicher Temperaturen einiges an Durchhaltevermögen ab – doch ein bemerkenswerter Festvortrag des einstigen Staatsrats Dirk Reimers entschädigt. Der Jurist, Vorstandsbevollmächtigter Deutsche Nationalstiftung, setzt sich mit der Frage „Was uns zusammenhält – die Idee der Nation in Europa“ auseinander, und warnt in diesem Kontext vor ethnisch-religiösem Homogenitätsstreben sowie Konformismus in Kultur und Politik.
Wiederholt bemühte Reimers den französischen Historiker Ernest Renan, der die Nation 1882 als eine große Solidargemeinschaft, als „Wir-Gefühl“, definierte. Dieses Gefühl, sagt Reimers, basiert auf den Säulen der gemeinsamen Sprache, dem kulturellen Erbe und dem Willen an der Mitwirkung einer gemeinsamen Zukunft. Ohne Sprache keine Teilhabe an der Demokratie, folgert der ehemalige Hamburger Staatsrat, der sich mehr Selbstbewusstsein und stärkeres Eintreten für die deutsche Sprache wünscht. Und die Bereitschaft, mehr Verantwortung zu übernehmen. „Das beginnt auf der kommunalen Ebene“, stimmt er Wiesbadens Oberbürgermeister Sven Gerich zu, der in seinem Grußwort das Engagement Ehrenamtlicher würdigt, und der Loge – „Bleiben Sie so offen, wie Sie geworden sind“ – attestiert, zum „Zusammenhalt der Stadtgesellschaft“ beizutragen.
Dass Europa von vielen als „Bedrohung der nationalen Identität“ angesehen werde, bezeichnet der Festredner als einen „starken Rückschlag“ für Europa, das das „Wir-Gefühl“ nicht hinbekommen habe. Reimers unterstreicht die Bedeutung der kulturellen Identität der Nation, fordert ein stärkeres Geschichtsbewusstsein und wünscht sich den „Stolz aufs eigene Land im Sinne innerer Verbundenheit“. Dies habe nichts mit Nationalismus gemein.
Mit anhaltendem Applaus, der auch den Musikerinnen und Musikern der fürs Rahmenprogramm zuständigen Musikakademie und Musik- und Kunstschule Wiesbaden zuteilwird, honorieren die Gäste Reimers’ Vortrag. Der gibt dem Publikum, zweifellos auch mit Blick auf aktuelle Ereignisse, noch eine Warnung mit auf den Weg: „Demokratien werden nicht nur von außen, sondern auch von innen bedroht.“