Als Andreas Gün- ther im Winter die Idee hatte, für die Zeit zwischen Ostern und Pfingsten ökumenische Friedensgebete zu organisieren, wusste er schon, dass wir in einer...
WIESBADEN. Als Andreas Gün- ther im Winter die Idee hatte, für die Zeit zwischen Ostern und Pfingsten ökumenische Friedensgebete zu organisieren, wusste er schon, dass wir in einer Zeit leben, in der es nicht schaden kann, um Frieden zu bitten. Gerade in den vergangenen Wochen hat die Aktion indes noch einmal an Aktualität gewonnen. Wenn auch die Ostermärsche der Friedensbewegung dramatisch an Resonanz verloren haben, drängt sich in diesen Tagen förmlich der Gedanke auf, dass es nie, oder doch zumindest seit Jahrzehnten nicht mehr so wichtig war, sich für Frieden zu engagieren. Und da heute noch immer wie zu allen Zeiten im Namen von Gott und Allah gemordet wird, ist es so besonders sinnvoll, wenn nun die „wandernden Friedensgebete“ in Wiesbaden und dem Rheingau einen interreligiösen Charakter haben.
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Am Mittwoch beginnt die 46-teilige Reihe in der Marktkirche und endet am Pfingstsamstag in der katholischen Kirche von Niederwalluf – in der Hoffnung, dass sich dann vielleicht auch über die Despoten dieser Welt und ihre irregeleiteten Scharfrichter der Heilige Geist ergießen wird. So wie es Jesus den Aposteln für die Zeit, in der sie ohne ihn auskommen mussten, versprochen hatte: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geists empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zunge sein, in Jerusalem und in ganz Judäa, in Samarien und bis ans Ende der Welt.“
Der stellvertretende katholische Stadtdekan Stephan Gras weiß um die Notwendigkeit, denn er spricht von der „Unkenntnis, die Menschen gegeneinander treibt“ und die es durch Begegnungen zu überwinden gelte: „Im Respekt vor dem Glauben des jeweils Anderen“. Ganz in diesem Sinne haben sich Protestanten, Katholiken, Muslime, Juden, Orthodoxe, Anglikaner und Alt-Katholiken verabredet, ein Signal zu senden, wie es die evangelische Stadtkirchenpfarrerin Anette Kassing formuliert: „In einer Zeit, in der Menschen im Namen einer vermeintlichen Religion andere Menschen umbringen, in der auch schnell in Bausch und Bogen jemand, der einen anderen Glauben hat, verurteilt wird – da finde ich es wichtig, sich über Trennendes hinwegzusetzen und etwas für ein friedliches Miteinander zu tun. Ein wunderbares Symbol ist, dass mitten in der Stadt, von der Marktkirche ein Zeichen des Friedens ausgeht.“
Auch der Vorsitzende des islamischen Kulturvereins Imam Hossein, Dawood Nazirizadeh, ist von dem gemeinsamen Projekt der unterschiedlichen Religionen angetan: „Gerade in der Hochphase von AfD und Pegida müssen wir alle zusammenhalten und keinen Raum lassen für Populisten, die auf Stimmenjagd gehen. Wiesbaden hält zusammen – Wiesbaden betet zusammen.“ Wie in der Moschee der Bosniaken am 28. April. Dann wird dort die Freitagspredigt in Deutsch gehalten.
Pfarrer Klaus Rudershausen sieht in dem Namen der alt-katholischen Friedenskirche schon einen besonderen Auftrag, für den Frieden zu beten. „Die Zeit ist leider auch geprägt von ausgrenzenden Parolen. Dem können interreligiöse und interkonfessionelle Gebete um Frieden grundlegende Zeichen entgegensetzen. Wir wenden uns an Gott als Quelle von Dialog, Vielfalt und Menschenfreundlichkeit.“ Der Anglikaner Christopher Easthill, Pfarrer von St. Augustine’s, freut sich, dass das „Reformationsjubiläum als gemeinsames Christusfest“ gefeiert wird und damit als ein Anlass, konfessionelle Grenzen und Konflikte zu überwinden“. Er versteht das gemeinsame Friedensgebet „als Zeichen, dass wir als Christen Frieden stiften können und müssen“.