Zur Klanginstallation „Corona Sonora“ laden Dirk Marwedel und 27 Musiker an neun Orten in die Wiesbadener Innenstadt ein. Das ungewöhnliche Projekt findet am 16. Mai statt.
WIESBADEN. (aja). Vor zwei Monaten hatte er die Idee, eine „Corona-Partitur“ zu schreiben, sagt der Wiesbadener Musiker Dirk Marwedel, bekannt als Impro-Spezialist und Mitbegründer der „Kooperative New Jazz / ARTist“. „Da waren die Folgen für Künstler nicht abzusehen, der ganze Auftrittsstopp kam später“. Marwedel wollte aber nicht passiv abwarten oder nur in Frust verfallen, sondern nutzte die Bedingungen, indem er eine Partitur schrieb, die „auf Abstand“ zu verwirklichen ist.
Das Ergebnis ist am Samstag um 10.45 Uhr in der Innenstadt zu hören. Es muss sich kein Publikum versammeln, um den Tönen des Werks zu lauschen, dem sein Schöpfer den Titel „Corona Sonora – Konzertante Klanginstallation im Wiesbadener Äther“ gegeben hat.
Dirk Marwedel hat 27 Musiker ins Boot geholt, die jeweils zu dritt an einem exponierten Ort spielen: Neun Bläser, 18 Percussionisten. An neun Orten, sechs Kirchtürmen und drei weitere Gebäude, spielen sie Marwedels Werk sechs mal sechs Minuten, synchronisiert von ihren Uhren. Die Idee dabei ist, dass die Klänge an den Orten unterschiedlich wahrgenommen werden. „Um zur Verbannung fast des gesamten kulturellen Lebens ins Digitale einen Kontrapunkt zu setzen, habe ich mit den Kollegen Jan Filip Ťupa und Uli Philipp das Konzept entwickelt, das ein analog und live dargebotenes Klangerlebnis im Rahmen der Versammlungsbeschränkungen und Abstandsregeln ermöglicht“, berichtet Marwedel, für den das Projekt auch eine Möglichkeit darstellte, sich kreativ mit den Gegebenheiten auseinanderzusetzen und Musikerkollegen eine Auftrittsgelegenheit zu bieten. Sie erhalten eine Gage. Das Projekt speist sich finanziell aus der Unterstützung der Stadt für die „Kooperative New Jazz“ sowie Mitteln des Kulturfonds Frankfurt-Rhein-Main. Die Künstler sind, so berichtet der Initiator, gerührt und dankbar, mitwirken zu können. „Endlich mal wieder live spielen“ – das bedeutet den meisten sehr viel.
Die Organisation des Projekts, das auch filmisch dokumentiert wird, war logistisch anspruchsvoll, denn es mussten Kirchtürme und andere Orte gefunden werden, auf denen es sich gut und nach außen hörbar spielen lässt. „Da muss man schon höhenfest sein“, sagt Dirk Marwedel, der sich für die Unterstützung der evangelischen und katholischen Dekanate bedankt. Auch drei andere, nichtkirchliche Orte sind dabei – genauer will der Initiator es nicht ankündigen. Nur so viel lässt er sich entlocken: „Sollten Sie sich irgendwo zwischen Kaiser-Friedrich-Ring und Altem Friedhof, zwischen Zietenring und Wilhelmstraße befinden, bemühen Sie sich nicht, den zentralen Ort des Geschehens zu finden, den es gar nicht gibt. Spitzen Sie einfach die Ohren und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die 36 Minuten dauernde Pandemie der Klänge Sie erwischt, auf das Heilsamste infiziert und nachhaltig gegen kulturellen Digitalismus immunisiert.“