Auf der Weinwoche ist erstmals Istanbul-Fatih die Partnerstadt. Der Rheingauer Winzer Jochen Neher hat dabei die Bewirtung des Standes übernommen.
WIESBADEN. „Die Türkei verfügt über absolute Spitzenweine.“ Eine Aussage, die viele überraschen dürfte, aber nicht von ungefähr kommt. Jochen Neher vom Weingut Mohr aus Lorch weiß es nämlich ganz genau. Seit vergangenem Freitag bewirtschaftet der Winzer den Stand der Partnerstadt Istanbul-Fatih. Mit türkischem Wein hat er jedoch schon länger Erfahrung: Durch Forschungsreisen und intensiven Austausch mit türkischen Kollegen weiß der Rheingauer um die Qualität der Tropfen vom Bosporus. „Die Türkei besitzt eine Vielzahl von verschiedenen Rebsorten“, erklärt Jochen Neher. „Neben weißen Rebsorten wie Semilion oder Clairette Blanche gibt es auch rote wie Merlot oder Syrah. Dies ist natürlich abhängig von der jeweiligen Region in der Türkei, die sich stark voneinander unterscheiden.“
Bildergalerie
Weingut Suvla sorgt für Aufsehen
Weinbau hat in der Türkei eine lange Tradition. Bereits in der Antike wurde Wein angebaut. Heute wird der Weinbau insbesondere von Großkellereien weiter vorangetrieben. Doch auch kleinere Weingüter wie Suvla nehmen an Bedeutung zu. Seit ein paar Jahren befindet sich Suvla rapide im Aufschwung und etabliert sich als Premiumweingut mit zahlreichen Auszeichnungen. „Wir arbeiten schon länger mit Suvla zusammen und sind von der Qualität absolut überzeugt. Da es nicht möglich war, Weine und Winzer direkt aus Fatih zu bekommen, haben wir uns für eine Top-Alternative entschieden“, sagt Neher. So sieht das auch Thilo Tilemann: Der Präsident des Partnerschaftsvereins Wiesbaden-Istanbul/Fatih hat sich deshalb auch bewusst auf das Weingut Mohr festgelegt. „Herr Neher verfügt über viele Erfahrungen mit türkischem Wein und der Kultur, sodass wir mit dieser Partnerschaft absolut zufrieden sind. Fatih ist ein sehr konservativer Teil Istanbuls, wo kein Wein angebaut wird, weshalb sich die Suche schwierig gestaltet hat.“ Weinbau wird innerhalb von Istanbul tatsächlich nicht betrieben. Mit zahlreichen Moscheen und jahrhundertealten historischen Bauten bildet Fatih heute den Kern der Altstadt von Istanbul. Seit 2012 besteht die Partnerschaft zur hessischen Landeshauptstadt. „Es geht vor allem darum, dass alle politischen Farben in dieser Verbindung vertreten werden. Jede demokratische Gesinnung hat ihren Platz. Dies gilt auch für die türkische Seite, wo wir Wert darauf legen, dass auch Oppositionelle integriert werden“, sagt Tilemann.
Der politische Aspekt spielt auch beim Thema Wein eine große Rolle: In den vergangenen Jahren wurden die Steuern auf Wein drastisch erhöht. „Auch für Touristen sind normale Weinproben, so wie wir sie hier kennen, strikt verboten“, sagt Neher. Doch auch in der Türkei kann Wein verköstigt werden. „In Istanbuls Restaurants oder auch Wine Bars kann man ganz normal Wein trinken.“ In Istanbul weht zumindest im Büro des Oberbürgermeisters zukünftig ein etwas anderer Wind: Erst kürzlich konnte sich der Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu (CHP) gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten Binali Yildirim bei der Wahl durchsetzen. Auch in dem eigentlich sehr konservativen Fatih konnte Imamoglu die Mehrheit erringen. Eine neue Chance für den Weinbau? „Natürlich könnte sich jetzt beim Thema Wein wieder mehr tun. Früher gab es auch Weinmessen in Istanbul. Doch wie sich jetzt die Stellung des Weins kurzfristig verändert, lässt sich noch nicht sagen“, so Neher.
Für die zehntägige Weinwoche wünscht sich Tilemann hingegen einen regen kulturellen Austausch, der besonders von Schulklassen in der jüngsten Vergangenheit gelebt wurde. So habe zwar der Kontakt zwischen den offiziellen Vertretern der Gemeinden abgenommen, der Kontakt der Partnerschulen spiele aber weiterhin eine große Rolle. „Auch wenn von den städtischen Seiten aktuell wenig Engagement vorgelebt wird, bin ich froh, dass wir weiterhin einen engen Kontakt zur türkischen Seite pflegen.“
Dass türkische und deutsche Kultur sich gut ergänzen, zeigt sich an Nehers Weingut Mohr. Zusammen mit seiner Frau Saynur Sonkaya-Neher, die für die Kulinarik in der hauseigenen Straußwirtschaft zuständig ist, beweist er, dass nicht nur beim Wein und Essen beide Länder miteinander harmonieren können.