Chansonabend zu Erich Kästners 120. Geburtstag im Wiesbadener...

Sopranistin Sabine Gramenz und Pianist Malte Kühn haben zum Ehrentag des Schriftstellers in den Archiven geforscht. Sie förderten wenig bekannte Stücke zu Tage, die Herz und...

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WIESBADEN. Dem unbekannten Erich Kästner, der vor allem in den 1930er Jahren „Gebrauchslyrik“ für das Kabarett schrieb, brachten Sabine Gramenz und Malte Kühn ein wunderbares Ständchen. Im Studio ZR6 am Zietenring lautete das Motto dieser Hommage: „Ja, das mit der Liebe ...“. An dem Tag aufgeführt, an dem Kästner 120 Jahre alt geworden wäre. Der Musiker und die schauspielerisch begabte Sopranistin wählten Gedichte mit „Verstand und Herz auf Taille“, die von Edmund Nick vertont wurden. Der war einer, den man mit Operettenmusik zusammenbrachte. Aber er konnte auch wunderbar mit Kästners sozialkritischen Texten umgehen und verwandelte sie in Chansons. Die sind so frisch und originell wie eh und je. Sie haben oft Schärfe und Biss, sind aber auch romantisch-zärtlich oder wunderbar sarkastisch.

Sabine Gramenz singt im voll besetzten Haus ohne Mikrofon und erreicht damit die Herzen und den Verstand eines Publikums, das weiß, was es an Kästner hat. Ihre Stimme kann schräg, schrill und frivol sein – oder hinreißend gefühlvoll, voller Sehnsucht und Traurigkeit.

Edmund Nick arbeitete für Radio Breslau. Mit Kästner verband ihn ab 1929 eine lebenslange Freundschaft, so berichtete Malte Kühn. Der verstand es als Moderator, in wenigen Sätzen den Hintergrund zu dem jeweiligen Chanson aufzuzeigen. Kühn ist aber auch ein einfühlsamer Begleiter auf dem E-Piano, der sich augenscheinlich mit Begeisterung auf die Suche nach dem Unentdeckten und Überraschenden in Kästners Biografie begeben hat.

„Unlustiges“ aus der Nachkriegszeit

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Vom Chanson „Für Hochwohlgeborene“ aus den 30er Jahren bis zum Porträt eines junges Paares, das 1945 die Sehnsucht nach der heilen Welt spürt, spannten Gramenz und Kühn den Bogen. Aus den Nachkriegstagen stammt auch die „Lustige Witwe“, ein „ganz und gar unlustiges Stück, das sich mit „den großen Verlierern der Kriege beschäftigt: Frauen und Kindern“, erklärte Kühn. Der brachte auch ein Zitat aus der „lyrischen Hausapotheke“ Kästners: „Es war seit jeher mein Bestreben, seelisch verwendbare Strophen zu schreiben.“ Das Publikum dankte mit stürmischem Applaus und bestand auf zwei Zugaben.