Bei jedem ist was zu holen: Zahl der Wohnungseinbrüche in...

Grafik: dpa, VRM/sbi

Die Zahlen jagen Angst ein. Ist es so schlimm bestellt? Aus Sicht der jungen Kollegin aus der Redaktion schon, denn sie nennt als Größenordnung „etwa 5000“. Etwa 5000...

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WIESBADEN. Die Zahlen jagen Angst ein. Ist es so schlimm bestellt? Aus Sicht der jungen Kollegin aus der Redaktion schon, denn sie nennt als Größenordnung „etwa 5000“. Etwa 5000 Wohnungseinbrüche in Wiesbaden. Im Jahr. Die gefühlte Wirklichkeit der Kollegin. Sie war selbst schon mal Opfer von Einbrechern, und die eigene Erfahrung, die Opferbelastung, wirkt nach. Aber auch die Erfahrung von Freunden, Verwandten oder Nachbarn. Im Fall der jungen Kollegin kommt hinzu, dass erst vor wenigen Tagen in die Wohnung ihrer Freundin eingebrochen wurde. In einer anderen Stadt zwar, aber das Gefühl trennt da nicht. „Etwa 3650“ Einbrüche, schätzt die nächste befragte Kollegin. Es geht nach unten, „etwa 3000“, schließlich „rund 1500“. Selbst die niedrigste Schätzung hat wenig gemein mit dem, was die Kriminalstatistik der Polizei für Wiesbaden an bekanntgewordenen Fallzahlen für den Wohnungseinbruch ausweist.

Was für das vergangene Jahr registriert wurde, dürfte in etwa ein Drittel der niedrigsten Schätzung sein. Die zum Teil enorme Überschätzung wundert den Kriminalpsychologen Rudolf Egg nicht. „Studien belegen, dass die Menschen bei den einzelnen Delikten das Fallaufkommen zum Teil enorm überschätzen“. Die Überschätzung, wie in der Mini-Umfrage in der Redaktion belegt, ist das eine Phänomen. Das zweite ist die Neigung, die Fallzahlen länger zurückliegender Jahre niedriger einzuschätzen. „Es liegt offenbar in der Natur der Menschen, dass früher alles besser gewesen sein soll“, meint Egg. Diese in der Öffentlichkeit oft gehörte Zuschreibung trifft nicht nur auf das Delikt Wohnungseinbruch zu.

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„Die wenigsten Menschen haben einen Überblick über einen so langen Zeitraum“. Das trage, so erklärt der Kriminalpsychologe, zur verklärenden Rückschau bei. Beeinflusst wird die Wahrnehmung, die wiederum das Sicherheitsgefühl beeinflusst, gerade auch von dem, was, wie und mit welcher Häufung die Medien über das Thema Wohnungseinbruch berichten. Egg spricht von einer „Wechselwirkung“. Viele tägliche Meldungen, viel Wahrnehmung. Auch das trage sicher einen Teil zur Überschätzung bei. „Aber aus dem Dilemma kommt man nicht heraus“, meint der Kriminalpsychologe. Weder die Polizei noch die Medien dürften Fälle verschweigen. Es müsse, weil passiert, darüber berichtet werden. Aber es sei unerlässlich, dass Fallzahlen eingeordnet werden.

Natürliche Schwankungen über die Jahre

Dem subjektiven Empfinden stehen Zahlen gegenüber, in unserem Beispiel die erfassten, weil gemeldeten, Einbrüche in Wiesbaden für die Jahre 1994 bis 2016 (siehe Grafik). Eine derart lange Zeitreihe sei aussagekräftig, findet Egg, man erkenne die Schwankungen. „Diese Schwankungen sind ganz natürlich“. Die Polizei, mehr aber noch die Politik, erkläre einzelne Rückgänge zu Vorjahren immer gerne als Erfolg ihrer Präventionsarbeit. Das greife als Erklärung viel zu kurz. Tatsächlich sei für das statistische Auf und Ab ganz anderes entscheidend: „Mit welchen Tätergruppen haben wir es vor Ort zu tun?“ Eher mit Gelegenheitstätern, oder mit örtlichen Gewohnheitstätern, die von Einbrüchen leben, oder aber mit organisierten reisenden Banden, oft aus Ost- und Südosteuropa? „Das sind die Gefährlichsten“, sagt Egg. „Diese Täter sind, wenn überhaupt, nur ganz schwer zu greifen“. Das schlägt sich denn auch in der Aufklärungsquote beim Einbruch nieder, sie liegt bei unter 20 Prozent. Das Risiko einer Entdeckung sei gerade für die professionellen Einbrecher gering. Härtere Strafandrohungen würden diese Täter auch nicht abschrecken.

„Denen ist es egal, ob im Gesetz fünf oder zehn Jahre drin stehen“, glaubt Egg. Der Ruf nach härteren Strafen sei halt der übliche Reflex der Politik. „Die Politik muss immer zeigen, dass sie was tut“. Tatsächlich wirkungsvoller sei ein Mehr an Personal, zumindest lasse sich damit die Aufklärungsquote verbessern. Eine Quote immerhin steigt kontinuierlich - die Fälle, bei denen Täter über den Versuch eines Einbruchs nicht hinauskommen. Weil sie an Sicherungsmaßnahmen scheitern, oder gestört werden.