Badewannen-Mordprozess: Die medizinisch kaum lösbare Frage,...

Es ist eine Geste mit Symbolcharakter. Der Rechtsmediziner Hans-Werner Leukel hebt leicht die Hände- und diese sparsame Geste drückt am Mittwochnachmittag vor der...

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WIESBADEN/LORCH. Es ist eine Geste mit Symbolcharakter. Der Rechtsmediziner Hans-Werner Leukel hebt leicht die Hände- und diese sparsame Geste drückt am Mittwochnachmittag vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Inhaltsschweres aus: „Vieles möglich, vieles denkbar“. Nichts Genaues. Es geht um die Frage, ob man den Todeszeitpunkt einer jungen Frau eingrenzen könne.

Die Tote heißt Anne D., sie wurde in der Nacht zum 25. Oktober 1997 tot in der Badewanne in Lorch gefunden. Tod durch Ertrinken. Eine junge Mutter, 32 Jahre alt, körperlich gesund. In ihrem Körper wurde Rohypnol, ein Schlafmittel, nachgewiesen.

Die Staatsanwaltschaft hatte 21 Jahre nach Annes Tod deren Ehemann Michael D. und dessen damalige Geliebte und spätere Lebensgefährtin Kathleen B. des Mordes angeklagt. Beide geben sich wechselseitig ein Alibi – sie wollen die Abend- und Nachtstunden gemeinsam in einem Wiesbadener Hotel verbracht haben. Eine von vielen Frauengeschichten, die Michael D., damals Polizist, in der Ehe am Laufen hatte. Er will zwischen 3 und 3.30 Uhr heimgekommen und dann seine Frau leblos – „wie schlafend“ – in der Wanne gefunden haben.

Der mögliche Todeszeitpunkt, eher ein Zeitfenster, zählt zu den zentralen Fragen in diesem Indizienprozess. Was passt zum Alibi? Was passt zu den anderen auffälligen Umständen? Wie erklären sich mehrere kleine Einblutungen an verschiedenen Stellen von Annes Körper? „In den mittleren Abendstunden, zwischen 20 und 22 Uhr“, könnte der Todeszeitpunkt gewesen sein, sagt Leukel. Es könnte aber auch ein anderer Zeitraum in Frage kommen. Ein deutlich früherer zum Beispiel. Auch ein späterer. Es gebe nur eine „mutmaßliche Wahrscheinlichkeit“, zititiert Leukel. Er könne nichts wissenschaftlich Seriöses sagen.

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Es fehle schlicht und einfach an den abgesicherten Informationen, die es brauche, um verlässlichere Aussagen treffen zu können. Als da unter anderem wären: Wie war die Temperatur des Wassers in der Wanne? Wie hoch war der tatsächliche Füllstand? Das Wasser will der Ehemann abgelassen und dann versucht haben, seine 53 bis 55 Kilo leichte Frau aus der Wanne zu heben? Was ihm nicht gelungen sei. Ist das Wasserablassen in dieser Situation logisch für einen auf extreme Situationen trainierten Polizisten? Mit dem Wasser fehlt ein wichtiges Kriterium. Schlimmer noch: Auf einen Rechtsmediziner vor Ort hatte man damals verzichtet. Und ohne Rechtsmediziner vor Ort fehlten auch weitere aussagekräftige Angaben zu weiteren wichtigen Kriterien, um den Todeszeitpunkt eingrenzen zu können. Unter diesen – nicht mehr korrigierbaren Versäumnissen – leidet die Aufklärung. Bis heute.

Fortsetzung Mittwoch 9 Uhr