Im Badewannen-Mordprozess hat der Angeklagte am Freitag viel geredet - unter anderem viel Schlechtes über das Opfer, seine ehemalige Frau.
WIESBADEN / LORCH. Es gibt am Freitag vor der Schwurgerichtskammer Aussagen zu hören, bei denen man sich selbst mit viel Fantasie kaum vorstellen kann, dass es tatsächlich so gewesen sein kann. Zumindest nicht in den letzten Ehejahren. „Wir hatten eine Super-Partnerschaft“, sagt Michael D.. Ein „Vertrauensverhältnis“. Es mag sein, dass einige Zeit „alles gepasst“ hat. Oder „normal“ gewesen sei. Auch noch so ein Wort, das in diesem Zusammenhang schmerzt. Je länger Michael D. redet, umso mehr drängen sich Fragen auf, was da zuletzt „normal“ gewesen sein soll zwischen ihm, dem Polizisten und seiner Anne.
Und es ist schon gar nicht normal gewesen, was sich in der Nacht des 24. Oktober 1997 ereignet hat – denn in jener Nacht wurde die damals 32-Jährige tot in der Badewanne im Haus Wispergrund 11 in Lorch gefunden. Ertrunken. Ein ungeklärter Todesfall.
Seit Mitte Januar 2019 müssen sich Michael D. und seine damalige Geliebte und spätere Lebensgefährtin Kathleen B. vor Gericht verantworten. Angeklagt ist Mord. Denn nichts anderes sei der Tod der jungen Frau in der Badewanne gewesen, so die Staatsanwaltschaft. Anne D. sei betäubt und dann in die Wanne gelegt worden, Ehemann und Geliebte hätten gemeinschaftlich gehandelt.
Im „absoluten Ausnahmezustand“
„Ich habe meine Frau nicht getötet“, sagt Michael D. am Freitag. Gefunden haben will er seine Frau, als er in der Nacht von einem Schäferstündchen mit der Geliebten in einem Wiesbadener Hotel heimgekommen sei. Als er realisiert haben will, dass Anne tot war, sei er wie „wie in Schockstarre“ gewesen, nur durch einen „Tunnelblick“ will er die Dinge wahrgenommen haben. Er sei in einem „absoluten Ausnahmezustand“ gewesen. Mit einer Geste des Abschiednehmens will er sich über die Tote gebeugt und sie umarmt haben. Das Wasser will er zuvor abgelassen haben.
Es gibt im Detail eine Fülle von Fragen, die auf Schlüssigkeit zu prüfen sind. Seine Lebensgefährtin wird später über ihren Verteidiger vortragen lassen, dass auch sie mit dem Tod der Ehefrau nichts zu schaffen habe. Beide wurden im Frühjahr 2018 festgenommen. Bei der Neuauswertung von Spuren aus 1997 war DNA-Material der Geliebten am Arm der Toten gefunden worden. Wie erklärt sich das? Kathleen B. erklärt bislang gar nichts, das muss sie als Angeklagte auch nicht. Die Rollen sind klar verteilt. Michael D. ist der Typ, der ja alles erklärt. Oder glaubt, dass er alles erklären würde. Kathleen B. sagt selbst nur etwas zu Dingen, wo man bei Nachfragen garantiert nicht aus dem Konzept geraten kann – ihre Erklärungen beschränken sich auf Schule, Ausbildung, Beruf, Weiterbildungen.
Bulimie rauf und runter
Michael D. dagegen breitet über Stunden weitschweifig aus, was auf wenige Kernbotschaften eingedampft werden kann: Seine Frau sei, insbesondere nach der Geburt des Sohnes, psychisch völlig von der Rolle gewesen. Es gibt Phasen an diesem vierten Verhandlungstag, da wähnt man sich auf einem Mediziner-Kongress – Bulimie rauf und runter. Seine Frau habe im Griff der Ess- und Brechsucht gesteckt, behauptet er. Fürchterlich soll das gewesen sein. Zeitweise völliger Kontrollverlust, mit Ausrastern. Dazu noch Tablettensucht. „Ich hätte gehen sollen“, sagt er. „Ich konnte es moralisch nicht. Ich habe mir gesagt ‚Du kannst doch die Frau nicht verlassen‘“. Die zweite Kernbotschaft ist die, wie sehr er darunter gelitten haben will.
Er wandelt verbal am Rande des Opfer-Status. Vielleicht könnte seine Frau ja auch gelitten haben, weil ihr Mann von einem Seitensprung zum anderen hüpfte. Auch das soll „normal“ gewesen, man habe ja eine „offene Beziehung“ gehabt. Über die Tote wurde am Freitag viel Schlechtes geredet. Sie kann sich nicht mehr dagegen wehren.
Fortsetzung 11. 2., 9 Uhr