In der Reihe „Marktkinder“ erinnert sich heute Ulrike Mohr, deren Vater Walter Paul bereits vor 45 Jahren regelmäßig auf dem Wiesbadener Markt Obst und Gemüse verkaufte,...
WIESBADEN. Nein, tauschen möchte Ulrike Mohr nicht mehr. „Ich bin ein Marktkind, ich bin hier großgeworden“, sagt sie mit dem Ton der Überzeugung in ihrer Stimme. Ihr Vater Walter Paul hat bereits vor 45 Jahren Obst und Gemüse hier verkauft, als sich das Marktleben noch rund um die Marktsäule abspielte. Regionale, saisonale Ware wie Spargel, Erdbeeren, Kirschen oder Äpfel waren der Schwerpunkt – und das ist auch heute noch so.
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Ulrike Mohr kauft, genau wie einst ihr Papa, von dem sie mit ihrem Mann Ralf den Marktstand 1999 übernahm (mitsamt Mitarbeiterin Moni Hölger, die mittlerweile seit 29 Jahren dabei ist), ihre Ware direkt bei den Landwirten in der Region, die Äpfel kommen aus Kriftel, der Spargel aus Griesheim.
Für die kleine Ulrike war es stets ein Erlebnis, mit ihren Eltern auf den Markt nach Wiesbaden zu dürfen. „Da gab’s immer Wurst vom Metzger Mernberger in Bierstadt, der gegenüber stand – das war für mich das Größte“, erinnert sie sich. Nach und nach stieg sie ins Geschäft ein, half beim Aufbau, trug Kunden die Ware ans Auto („Dafür gab’s dann auch mal ein kleines Trinkgeld“), durfte Erdbeeren verpacken und auch schon mal selbst verkaufen. „Ich erinnere mich, dass früher die Erdbeeren am Stand lose aufgetürmt wurden und mein Vater sie mit einer großen Schippe in die Papiertüten geschaufelt und abgewogen hat“, erzählt sie. Daran sei heute nicht mehr zu denken, Erdbeeren gehören ins Pappschälchen.
„Hier habe ich rechnen gelernt“, erinnert sie sich. Damals habe es noch eine zentrale Kasse gegeben, die nur einer bediente. Die Verkäufer hatten alle einen Block mit einem Stift an einer Kordel daran. Dort wurden alle gekauften Waren notiert, der Kunde ging dann mit dem Zettel zur Kasse und bezahlte dort. Und gewogen sei damals mit einer Zeigerwaage, „heute geht das alles elektronisch“.
Ihr Vater hatte damals auch ein Lager im Marktkeller unter der Marktsäule. „Da war es dunkel, feucht und kalt – und irgendwie unheimlich.“ Drei Kojen hatte Walter Paul gemietet, um seine Waren und auch die Standausstattung zu lagern, heute befindet sich dort das Stadtmuseum.
An zahlreiche Kunden erinnert sich Ulrike Mohr. „Da waren viele ZDF-Prominente dabei.“ Die Moderatorinnen Margret Dünser und Victoria Voncampe gehörten dazu, ebenso Moderator Dieter Kronzucker und auch Journalistin Marina Ruperti. „Frau Ruperti kam mal ganz früh morgens zu uns an den Stand, ungeschminkt. Wir haben alle steif und fest behauptet, das sei sie nicht, da sie so anders aussah als im Fernsehen“, erzählt Ulrike Mohr. Die Journalistin habe nur gelächelt und sei überhaupt nicht böse gewesen. Und Margret Dünser habe sie und ihre Mutter sogar mal nach Berlin zur „ZDF-Hitparade“ eingeladen.
Seit 39 Jahren ist Ulrike Mohr nun selbst auf dem Markt. Als junge Frau absolvierte sie eine Lehre als Reisebürokauffrau, arbeitet im City-Reisenbüro am Dernschen Gelände. „Da hab ich morgens den Stand mit aufgebaut, bin dann ins Reisebüro gegangen“, erinnert sie sich. Nachdem ihre Kinder aus dem Gröbsten heraus waren und Ulrike Mohr wieder arbeiten wollte, landete sie wieder auf dem Markt. „Das hat sich so ergeben, ich liebe das Gespräch mit den Kunden und die Atmosphäre hier“, gesteht sie. Ihre Kinder haben auch schon ausgeholfen, den Stand übernehmen wird aber keines. „Das sollen sie selbst entscheiden“, sagt Ulrike Mohr, schließlich sei es nicht jedermanns Ding, morgens um 2.30 Uhr aufzustehen, um frische Ware zu kaufen.