Wochenrückblick von Olaf Streubig zur Müllverbrennungsanlage in Wiesbaden
Von Olaf Streubig
Leiter Lokalredaktion und stv. Chefredakteur
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WIESBADEN - Für reichliche Aufregung sorgt weiterhin der Wunsch des Entsorgungsunternehmens Knettenbrech und Gurdulic, in Wiesbaden ein Müllheizkraftwerk zu bauen. Damit beschäftigen sich nun endlich auch die städtischen Gremien: In der vergangenen Woche debattierten Umwelt- und Bauausschuss gemeinsam mehrere Stunden lang ausschließlich über dieses Thema. Kontroversen entzündeten sich vor allem an zwei strittigen Fragen: Braucht man überhaupt ein Kraftwerk an diesem Standort? Und: Wer wusste wann wie viel über das Projekt?
Wo stecken die zuständigen Dezernenten?
Insbesondere an dieser Frage biss sich Aglaja Beyes von der Linken förmlich fest und kritisierte Bürgermeister Oliver Franz (CDU): „Wofür braucht die Stadt Wiesbaden einen Dezernenten für Abfallwirtschaft, wenn der angeblich von nichts weiß. Und wo steckt er überhaupt heute?“ Nicht nur Franz wurde vermisst, auch Planungs- und Baudezernent Hans-Martin Kessler (CDU) fehlte entschuldigt.
Zwischen der Stadtregierung, den Entsorgungsbetrieben (ELW) und der Firma Knettenbrech und Gurdulic habe es geheime Absprachen gegeben, unterstellte Beyes in mehreren Redebeiträgen. „Das ist doch alles Spekulation“, erwiderte Hans-Joachim Hasemann-Trutzel (CDU). Er befragte wenig später Steffen Gurdulic zu dessen Fuhrpark und neuen Recycling-Vorschriften. Der anwesende Unternehmer antwortete sichtlich gerne und überzeugend. Dass es aus den Reihen der Union Steilvorlagen statt kritischer Fragen an Gurdulic gab, überrascht nicht: Er gehört der CDU Biebrich an. Gurdulic spielte geschickt die Karte des heimischen Mittelständlers, der sich gegen die großen Player im hart umkämpften Müllgeschäft behaupten muss. Erfrischend, dass Gurdulic bei allem David-gegen-Goliath-Pathos keinen Eiertanz zum Informationsfluss veranstaltete, sondern unumwunden zugab, dass seine Pläne bei Stadt und ELW bekannt gewesen seien – „aber nicht durch mich in Persona“.
Durch wen das kommuniziert wurde, ist auch egal. Entscheidend sind die Fakten: Die ELW-Verantwortlichen kannten Gurdulics Pläne und haben die Ausschreibung, wer künftig den Wiesbadener Hausmüll verbrennen darf, offener formuliert. Das ist nicht verboten und, wie Dennis Volk-Borowski treffend feststellte, „kein Stoff für Verschwörungstheorien“.
Ob aber die Landesbehörde ein Müllheizkraftwerk im Stadtgebiet überhaupt erlaubt, steht auf einem anderen Blatt. Spannend wird nun, wie sich die Stadtpolitiker zu dem Projekt positionieren – vor allem die Grünen: Während sich der grüne Umweltdezernent Andreas Kowol („Unser Einfluss ist begrenzt“) bisher sehr defensiv äußert, legte die Stadtverordnete Konstanze Küpper den Finger in die Wunde: „In den vergangenen zehn Jahren wurden in ganz Deutschland nur vier Müllheizkraftwerke gebaut. Das Projekt macht keinen Sinn, da es genügend Kapazitäten in den Anlagen in Mainz und Frankfurt gibt.“
Unklar, was mit der erzeugten Fernwärme passiert
Und Küpper wies völlig zurecht darauf hin, dass es für die entstehende Fernwärme überhaupt noch keinen Abnehmer gibt. Das grüne Gewissen blitzt auf – trotz Regierungszeiten mit einem hessischen Flughafenminister Tarek Al-Wazir und einem Wiesbadener Stadtrat Kowol. Überraschend zahm präsentiert sich derzeit allerdings die Grünen-Basis: Bei der jüngsten Mitgliederversammlung musste sich Landes-Fraktionschef Mathias Wagner lediglich eine (halbwegs) kritische Frage gefallen lassen. Haben also die Realos die Fundis verdrängt?
Ein Dilemma, das auch Claus-Peter Große im Umweltausschuss beschrieb: „Wir wollen die Müllmengen global, aber auch in Wiesbaden reduzieren. Ist dann ein neues Heizkraftwerk überhaupt nachhaltig?“ Auf der anderen Seite wollen auch die Grünen Gurdulic und Knettenbrech als lokales Unternehmen fördern, betonte Große. „Irgendwie sind wir da zwischen Baum und Borke.“ Da sind sie immerhin im Grünen.