Wiesbadener Lehrer und Künstler Ulrich Poessnecker geht in den Ruhestand
Theatergruppen haben ihm viel zu verdanken. Er hat im Kunstbereich einiges bewirkt. Und den Umgang mit seinen Schülern als Privileg erlebt.
Von Julia Anderton
Mitarbeiterin Lokalredaktion Wiesbaden
Ulrich Poessnecker
(Foto: Andreas Koch)
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WIESBADEN - In einer Familie von Biertrinkern stellte die Tante mit ihrer Vorliebe für Wein eine Exotin dar – zum Glück: Denn sie nahm ihren Neffen, der in Oberfranken bei den Großeltern aufwuchs, mit zum Weinkauf nach Rüdesheim, einen Schlenker durch Wiesbaden inklusive. „Diese Promenadenfahrt über die Wilhelmstraße war für mich das Schönste auf der Welt“, erinnert sich Ulrich Poessnecker.
Das Gymnasium besuchte er in Frankfurt und zum Studium ging es nach Mainz. Ende der 70er Jahre aber erfüllte sich der Kunsthistoriker seinen Traum von der Altbauwohnung in Wiesbaden, wo er in das System Schule als Lehrer nur mal reinschnuppern wollte. Er blieb und unterrichtete viele Jahrzehnte Kunst am Gymnasium am Mosbacher Berg, gestaltete auch die Kunstbereiche sowie das Logo der Schule und kam über einen Schüler erstmals mit dem Theater in Berührung, als der ihn um ein Bühnenbild für „Leonce und Lena“ bat. Bei dem Schüler handelte es sich um Jens Harzer, der heute Ensemble-Mitglied des Hamburger Thalia Theaters ist, aber auch in TV-Produktionen wie „Babylon Berlin“ spielt und seit dem Tod von Bruno Ganz im März Träger des Iffland-Ringes ist (dieser wird an den „bedeutendsten und würdigsten Bühnenkünstler des deutschsprachigen Theaters“ auf Lebenszeit verliehen).
Durch Harzer kam Poessnecker mit Regisseuren, Schauspielern und Bühnenbildnern in Kontakt und baute Ende der 80er Jahre das Schultheater am Gymnasium am Mosbacher Berg auf. Nach einem Sabbatjahr wechselte er an die Fliedner-Schule und zwei Jahre darauf ans Dilthey-Gymnasium, wo er Darstellendes Spiel unterrichtete; gleichzeitig war er zum Kunstunterricht an die Elly-Heuss-Schule abgeordnet, wo er Ende Juni in den Ruhestand verabschiedet wird, denn im September feiert Poessnecker seinen 67. Geburtstag.
Auch an seiner jüngsten Wirkungsstätte hat er binnen eines halben Jahres eine Schultheatergruppe aufgebaut, die erfolgreich an den diesjährigen Schultheatertagen teilgenommen hat. Für Poessnecker ein gewohntes Pflaster: An insgesamt 17 Schultheatertagen haben seine Gruppen aus vier Schulen teilgenommen, nicht wenige von ihnen auch am Leonardo-Schul-Award, Siegertreppchen inklusive – und Poessnecker wurde mit dem Lehrerpreis für sein außergewöhnliches Engagement ausgezeichnet. Noch heute pflegt er Kontakt zu vielen Ehemaligen und auch im Umgang mit seinen jetzigen Schülern fällt stets der besondere Umgangston miteinander auf. „Als kleiner Junge wurde ich von meinem Großvater respektiert als jemand, der erwachsene Dinge tun darf. Das hat dazu geführt, dass ich alle, die fünf, zehn oder 15 Jahre alt sind, wie Erwachsene behandele – als würde ich den Begriff der Kindheit nicht kennen“, erklärt er.
Heute lebt Poessnecker im Rheingau. Langsamer machen will er im Ruhestand nicht. Er will weiter malen, noch mehr Bücher und Theaterstücke schreiben. Vermissen wird er die Schule dennoch: „Weil ich die Gemeinsamkeit mit Schülern lebe. Es ist ein Privileg, als Mensch in einer sozialen Gemeinschaft leben zu können.“