Wiesbadener Beratungsstelle möchte traumatisierte Flüchtlinge für den Alltag stabilisieren
Viele Flüchtlinge tragen schlimme Erlebnisse mit sich herum. Für einige sind die psychischen Belastungen so stark, dass an einen normalen Alltag nicht zu denken ist. Eine Beratungsstelle in Wiesbaden soll den Traumatisierten helfen.
Von Eva Bender
Lokalredakteurin Wiesbaden
Das Team der New-Beratungsstelle (von links): Liudmila Bauer, Alena Riebel, Ellen Gräff und Loma Chaichian, in den Beratungsräumen in der Bahnhofstraße 36. Foto: Joachim Sobek
( Foto: Joachim Sobek)
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WIESBADEN - Zwei Jahre ist es inzwischen her, dass auch in Wiesbaden viele Flüchtlinge ankamen – auf der Suche nach Sicherheit und Zuflucht. Viele ehrenamtliche und hauptamtliche Stellen unterstützen sie seitdem in ihrem Alltag und bei der Integration in die Gesellschaft. Einigen Betroffenen gelingt das leichter als anderen. Denn die Erlebnisse in den Heimatländern und auf der Flucht führen in manchen Fällen zu Traumata, die auch im sicheren Wiesbaden einen stabilen Alltag verhindern. Genau diesen Menschen bietet die New-Beratungsstelle, die seit Juli dieses Jahres in der Bahnhofstraße 36 zu finden ist, kostenlose Unterstützung.
Bisher bereits 24 Geflüchtete in Gesprächen beraten
Entstanden sei die Idee in der Werkgemeinschaft Rehabilitation, erklärt Ellen Gräff, die schon seit 30 Jahren in dem Wiesbadener Verein arbeitet und das Psychosoziale Zentrum (PSZ) Süd in Biebrich leitet, zu dem nun auch die New-Beratungsstelle gehört. Denn trotz des ehrenamtlichen Engagements in der Stadt und den vielen Angeboten, die für Geflüchtete entstanden sind, habe eine Beratungsstelle für traumatisierte Flüchtlinge einfach gefehlt. Im Mai dieses Jahres wurde die Beratungsstelle bewilligt, am 10. Juli fand die erste Beratung in den neuen Räumen statt. Gefördert wird das Angebot über drei Jahre von der Aktion Mensch. Die 50 geförderten Personalstunden in der Woche teilen sich die Pädagogin Liudmila Bauer, die Sozialarbeiterin Alena Riebel und die studierte Psychologin Loma Chaichian, die zudem Persisch spricht. Die Frauen arbeiten allesamt auch im PSZ Süd. „Wir können somit unser Fachwissen und unsere bestehenden Kontakte zu anderen Einrichtungen nutzen, um Geflüchtete bestmöglich zu beraten und weiterzuvermitteln“, sagt Gräff.
Seit Eröffnung der Beratungsstelle sind 24 Geflüchtete zu Erstgesprächen erschienen. „Sie kennen uns von den Flyern, die wir ausgelegt haben, oder werden vom Sozialdienst Asyl zu uns vermittelt“, erklärt Koordinatorin Alena Riebel. Für die vier Frauen, die alle eine Weiterbildung zur Fachberaterin für Psychotraumatologie haben, ist es nicht relevant, welchen Aufenthaltsstatus die Geflüchteten haben. „Wir haben derzeit zum Beispiel viele Klienten aus Afghanistan, deren Bleibeperspektive besonders unsicher ist. Durch diese Unsicherheit werden die Symptome der Traumatisierung noch verstärkt“, so Riebel.
Manchen Klienten sei mit wenigen Gesprächen, mit der Suche nach einem Facharzt oder der Begleitung dorthin geholfen, so Riebel. Andere werden länger betreut, bevor sie an andere Unterstützungsangebote weitervermittelt werden können. So wie die Frau aus Afghanistan, die in Wiesbaden vereinsamt und durch die schlimmen Nachrichten aus ihrer Heimat verstört war, als sie in die Beratung zu Loma Chaichian kam. Nach Gesprächen und mithilfe von Medikamenten gehe es ihr inzwischen besser, sagt die Beraterin. Oft seien schon kleine Tricks eine große Hilfe. Gummibänder etwa, an denen man ziehen und sich damit daran erinnern könne, dass man hier und jetzt in Sicherheit ist. Auch das Kunsttherapieangebot im Atelier „Bunte Reiter“ werde gut angenommen.
Ohne diese Stabilisierung im Alltag hätten die Geflüchteten oft Schlaf- oder Konzentrationsprobleme, an Deutschkurse und einen geregelten Arbeitsalltag sei dann nicht zu denken, so Gräff. Mit der Beratung und Therapie dürfe man nicht zu lange warten, sonst könne das Trauma chronisch werden. Die New-Beratungsstelle könne eine erste Hilfe leisten. Das Trauma selbst müsse in einer Therapie aufgearbeitet werden, am besten bei einem muttersprachlichen Therapeuten oder Psychiater. Sie weiß aber auch: „Solche Plätze sind in Wiesbaden nicht leicht zu bekommen.“