Wie ein Schulhund an der Wichern-Schule den Kindern beim Lernen hilft
Von Anja Baumgart-Pietsch
Die sieben Jahre alte Mebsut lernt beim Würfeln mit ihrer Lehrerin Johanna Schäfer die Zahlen. Die Schulhündin Lütte, ein gutmütiger „Labradoodle“, ist mit dabei – und würfelt mit, indem sie mit ihrem Maul den Würfel nimmt und auf den Boden fallen lässt. Foto: Anja Baumgart-Pietsch
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WIESBADEN - Lütte ist überhaupt nicht klein. Ganz im Gegenteil: Der dunkelbraune Labradoodle, eine Kreuzung aus Labrador Retriever und Riesenpudel, besitzt eine respekteinflößende Größe. Aber Lütte ist die Ruhe selbst. Die zwei Jahre alte Hündin gehört Johanna Schäfer, Lehrerin an der Johann-Hinrich-Wichern-Schule in Amöneburg, und ist ein offiziell ausgebildeter und geprüfter Schulhund.
Wenn Lütte arbeitet, dann trägt sie ein buntes Dreieckstuch mit der Aufschrift „Schulhund“. „Dann weiß sie, dass sie im Dienst ist“, erklärt Johanna Schäfer. Sie hat schon als Referendarin den Hund in ihre Arbeit einbezogen – natürlich nach Absprache mit der Leitung der Förderschule für geistige Entwicklung. „Alle mussten zustimmen, auch das Schulamt, die Gesamtkonferenz, die Schülerschaft: Das hat alles seine Ordnung“, sagt Schäfer, die eine große Hundeliebhaberin ist und noch eine zweite Hündin besitzt.
Aber mit Lütte hat sie sich gleich an das Wagnis der Schulhund-Ausbildung gemacht. Es sind verschiedene Bedingungen daran geknüpft, das Zertifikat hat offiziellen Charakter, und Johanna Schäfer ist dadurch auch versichert. Und sie ist verpflichtet, den Hund einmal im Quartal tierärztlich untersuchen zu lassen. Alles auf eigene Kosten – „und nicht einmal die Hundesteuer wird mir erlassen oder ermäßigt“, bedauert sie.
Doch Schäfer und ihre Kollegen sind überzeugt von der positiven Wirkung der gutmütigen Hündin. Sie hat zwei feste Plätze in der Schulanfänger-Klasse, deren Klassenlehrerin Schäfer ist, ein Hundebettchen unter einem Tisch und einen „Kennel“, den man verschließen kann. Dort liegt Lütte, während die Kinder essen. Zu jeder Klasse gehört eine Küchenzeile, „denn wir lernen hier mit den Kindern auch, wie man einfache Gerichte kocht, wie man spült und das Geschirr wieder in den Schrank einräumt“, erklärt Johanna Schäfer, die in ihrer Klasse Kinder mit besonderem Förderbedarf unterrichtet. Jeden Montag und Donnerstag ist Lütte mit in der Schulklasse.
Sechs Kinder gehören dazu, doch oft sind nicht alle da. Bei unserem Besuch ist nur ein Mädchen in der Klasse: Mebsut, geboren im Libanon, eine aufgeweckte Siebenjährige, mit der Johanna Schäfer an diesem Vormittag die Zahlen auf einem Würfel bespricht. Mebsut und der Hund würfeln abwechselnd: Tatsächlich schafft es Lütte, mit ihrem großen Maul den kleinen Würfel vom Tisch zu nehmen und fallen zu lassen. Mebsut muss dann auf einem Blatt Papier mit einem Leckerli kennzeichnen, welche Zahl gewürfelt wurde. Zum Schluss darf Lütte es natürlich fressen. „Die Kinder erledigen ganz unterschiedliche, ihrer Entwicklung gemäße Aufgaben“, erklärt Schäfer. Überall schaut Lütte mal vorbei. Sie kann auch einen Taster bedienen, aus dem unterschiedliche Sätze tönen – ein Kind benötigt diese besondere Form der Kommunikation. Ein anderer kleiner Junge mit Autismus „hat in dem Hund einen absoluten Türöffner gefunden“, freut sich Schäfer: „Sonst kann er keinen Augenkontakt zu anderen Menschen aufnehmen. Lütte schaut er ins Gesicht – und mittlerweile auch mir.“ So lernen die Kinder über den Hund verschiedene Kommunikationsfähigkeiten, können zum Beispiel auch einmal erleben, wie es ist, wenn man zum Hund „Sitz“ sagt, und es erfolgt eine prompte Reaktion. „Das ist eine wichtige Erfahrung: Man kann mit eigenem Handeln etwas verändern“, beschreibt Johanna Schäfer.
Lütte tröstet und muntert auf, ist immer zu einem Spielchen bereit. „Sie ist ein richtiges Mitglied in unserer Klasse“, beschreibt Johanna Schäfer die Rolle ihrer klugen Hündin. Das kommt auch optisch zum Ausdruck: Alle Kinder haben einen Handabdruck auf ein großes Plakat gebracht – ein Pfotenabdruck von Lütte ist auch dabei.