Viel Skepsis bei Bürgerversammlung zur Nachverdichtung im Wiesbadener Schelmengraben
Von Birgit Emnet
Mitarbeiterin Lokalredaktion Wiesbaden
Viel Grün, jetzt soll nachverdichtet werden: 800 bis 1000 neue Wohnungen könnten am Schelmengraben entstehen. Archivfoto: Erika Noack
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
DOTZHEIM - Sie sage es ganz offen, so Architektin Claudia Becker von Planquadrat, es werde einschneidende Veränderungen geben im Schelmengraben. "Häßliche Parkgaragen" werden zugunsten von mehr Wohnraum fallen, vorhandene Gebäude nach Möglichkeit aufgestockt, neue Häuser entlang von Straßen entstehen. Aber es könne Gutes aus der Veränderung hervorgehen, die die GWH Wohnungsgesellschaft mbH Hessen jetzt im Einvernehmen mit der Stadt Wiesbaden plant, und die 800 bis 1000 neue Wohnungen im Schelmengraben vorsieht. Barrierefreies, altengerechtes Wohnen, energieeffizientere und qualitätvollere Gebäude, Parken in Tiefgaragen, und, nicht zuletzt, Aufrechterhalten der Mietpreisbindung von 6,50 Euro pro Quadratmeter für Altbestände, die aus der Bindung herausfallen würden.
OB Gerich will Anwohner früh beteiligen
Genügend "Bonbons", sollte man meinen, das gerüttelte Maß an Skepsis, die manche schon im Vorfeld der Versammlung äußerten und die Architektin Becker auch auf den Gesichtern las, wenigstens teilweise abbauen zu können. Oberbürgermeister Sven Gerich, der zur Bürgerversammlung geladen hatte und sich über die große Resonanz in der voll besetzten Mensa der Jawlenskyschule freute, hatte bereits eingangs betont, dass man "so früh wie noch nie" zur Anwohnerinformation eingeladen hatte. Auch sei "noch nichts in trockenen Tüchern", versicherte Gerich, die Bürger sollen, etwa über einen Mieter- oder Baustellenbeirat nach dem Muster der Bergkirchenviertelsanierung, mitreden können. Und noch mit einem weiteren Vorbehalt, geäußert von der Bürgerinitiative "Gemeinwohl hat Vorfahrt", die einen Fragekatalog zur Nachverdichtung eingereicht hatte, wolle er aufräumen: Der angedachte Verkauf von Wohnungen solle nur an Mieter und nicht an Dritte erfolgen. "Ein Angebot", sei das, "keine Verpflichtung", versicherte der OB.
Andrea Schobes vom Amt für Soziale Arbeit berichtete von der Aufnahme in das Projekt "Soziale Stadt", die den Schelmengraben nicht nur wegen der Erneuerung von Spiel- und Freiflächen voranbringen werde und stellte Stadtteilmanagerin Laura Krumm vor. Landschaftsplaner Erik Hanf nannte den Schelmengraben "ein ganz besonderes Wohngebiet", nicht nur, weil der berühmte Stadtplaner Ernst May es entworfen hat, sondern, weil es "grün, bunt und lebendig" sei.
Keinen leichten Stand hatte GWH-Vertreter Harald Urban. Er musste sich von den Anwohnern anhören, dass zuwenig in der Vergangenheit getan worden sei, um die Wohnqualität für die bereits vorhandenen Mieter der immerhin 2 300 GWH-Wohnungen zu verbessern. Von Mängeln sowohl im Innern als auch "nie gestrichenen Fassaden" wurde gesprochen. "Und jetzt sollen 40 Prozent mehr Wohnungen entstehen?", fragte ein Besucher. "Wo ist das moderat?", zitierte er die Aussagen von Stadtpolitikern. Ein anderer sorgte sich ums Parken, wenn die Garagen abgebrochen würden. Die Zukunft des "Roten Hochhauses" war auch großes Thema. Jetzt müssten die Bewohner mangels Einkaufszentrum für Versorgungen weite Wege machen, hieß es. Man arbeite zusammen mit der GWH an einer Lösung, so der OB. "Geben Sie uns etwas Zeit." Lauten Beifall gab es für den Beitrag, man wünsche gar keine Veränderung im Schelmengraben, sondern eine Verbesserung des Wohnumfeldes.
"Wir brauchen Wohnungen für die Menschen, die zu uns ziehen wollen", so OB Gerich. Und auch für die 3000 bereits wohnungssuchenden Wiesbadener. Sie glaube an eine Aufwertung des Viertels, sagte die anwesende Mieterbund-Geschäftsführerin Eva-Maria Winckelmann. Und appellierte an die Versammlung: "Geben Sie dem Ganzen eine Chance." Allerdings müsse die Nachverdichtung schonend erfolgen und die schon dort lebenden Menschen eingebunden werden. Das versprach der OB und kündigte weitere Informationsveranstaltungen an. "Wir stehen erst ganz am Anfang."