Abgekämpft und enttäuscht: Simon Rottloff bei den Genossen. Foto: wita/Paul Müller
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WIESBADEN - Um kurz nach acht kommt er rein. Begleitet vom Parteivorsitzenden Dennis Volk-Borowski betritt ein sichtlich enttäuschter Simon Rottloff den SPD-Fraktionsraum im Rathaus. Für ihn hat es zum zweiten Mal nicht geklappt, das Direktmandat bei der Bundestagswahl zu holen. Lang anhaltender, tröstender, auch kämpferischer Applaus. Rottloff atmet tief durch. Der Beifall wird noch größer, als Volk-Borowski sagt: „Verdient hätte es Simon allemal.“ Und der Wiesbadener Kandidat hat ja auch wesentlich mehr Erststimmen geholt als seine Partei Zweitstimmen. In „seinem“ Stadtteil Kloppenheim sogar 40,6 Prozent. Bei Gegenkandidat Ingmar Jung klafft beides nicht so weit auseinander. Das nutzt der SPD aber alles nichts an diesem Abend. Es ist, das sagen alle, ein „trauriger, ein bitterer Abend für die Sozialdemokratie“, so der Parteivorsitzende, der es begrüßt, dass die Bundes-SPD sofort nach Bekanntwerden der ersten Hochrechnungen angekündigt hat, in die Opposition zu gehen.
Rottloff selbst bedankt sich bei allen, die ihn im Wahlkampf unterstützt haben: „Die mich ge- und ertragen haben.“ Auch er spricht von einem bitteren Tag für die Sozialdemokratie. Der Wahlerfolg der AfD „macht mich traurig und wütend“, sagt der SPD-Kandidat und fügt kämpferisch hinzu: „Lasst uns eine gute Antwort auf den größer werdenden Faschismus in diesem Land geben.“ Wieder lang anhaltender Applaus der Genossen, auch, als Rottloff den fairen Wahlkampf lobt, den er und CDU-Mann Ingmar Jung sich geliefert hätten.
Oppositionsrolle in Berlin finden die meisten richtig
Überraschend ist das SPD-Debakel für niemanden an diesem Abend im SPD-Zimmer. Sozialdezernent Christoph Manjura hat es „leider erwartet“. Den aus Berlin angekündigten Schritt in die Opposition nennt er „konsequent“. Auch Ehrenbürger und Ex-OB Rudi Schmitt ist extra ins Rathaus gekommen. Er ist 89 Jahre alt und seit 70 Jahren Mitglied der SPD. Es sei ein Fehler gewesen, die Flüchtlingspolitik Angela Merkels zu unterstützen, meint Schmitt. „Erste humanitäre Hilfe ja, aber dann hätte ich anders gehandelt“, sagt er. Auch sollte die Partei sich jetzt nicht zu früh für die Oppositionsrolle entscheiden. „Die SPD hat auch heute noch eine staatspolitische Verantwortung.“
Bei Flensburger Pils, Brezeln, Spundekäs’ und Gulaschsuppe diskutieren SPD-Leute verschiedener Generationen das Debakel. Immer wieder ist der Satz zu hören: „Das, was wir durchgesetzt haben, zum Beispiel den Mindestlohn, das kommt bei den Leuten einfach nicht als SPD-Erfolg an.“ Warum? Keiner kennt die Antwort.
Auch Oberbürgermeister Sven Gerich, der dem Kandidaten Rottloff ein Riesen-Engagement und allen SPD-Wahlkämpfern „eine tolle Mannschaftsleistung“ attestiert, hatte das Ergebnis „so erwartet“. Und wenn der Trend im Bund „so massiv gegen uns ist, dann kann man das einfach nicht aufholen“. Martin Schulz, erst im März mit 100 Prozent der Stimmen zum Parteivorsitzenden gewählt, „soll bleiben“, meint der OB. „Wir müssen uns jetzt sortieren. Ständige Personalwechsel helfen dabei nicht weiter.“ In die Opposition zu gehen, sei „gut und berechtigt.“