Sulcus-ulnaris-Syndrom: Lähmung durch gereizten Nerv möglich
Beim Sulcus-ulnaris-Syndrom sorgt ein gereizter Nerv im Arm für Schmerzen und Taubheitsgefühle. Unbehandelt kann die Nervenkompressionskrankheit schlimme Folgen haben.
Von Eva Bender
Lokalredakteurin Wiesbaden
Der Wiesbadener Neurochirurg Dr. Abdi Afsah (links) untersucht seinen Patienten Michael Bouffier. Der Rüsselsheimer wurde wegen des sogenannten Sulcus-ulnaris-Syndroms operiert. Foto: wita/Paul Müller
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WIESBADEN - Anfangs fühlte es sich so an, als seien der kleine Finger und der Ringfinger seiner linken Hand nur eingeschlafen, doch das Gefühl blieb und auch die Kraft in der Hand ließ langsam nach. Zwei Jahre lang hatte Michael Bouffier diese Symptome. „Zuletzt konnte ich gar nicht mehr richtig am Esstisch sitzen, musste meinen Arm ständig ausschütteln, damit das Gefühl wieder zurückkam“, erzählt der 62-jährige Rüsselsheimer. „Und dann kamen noch die Schmerzen dazu.“
Kubitaltunnel-Syndrom kommt relativ häufig vor
Zunächst stand die Halswirbelsäule des ehemaligen Kfz-Mechanikers in Verdacht, die Symptome auszulösen, denn sein Arzt fand dort Verschleißerscheinungen. Doch bei einer elektrophysiologischen Untersuchung, bei der die Leitgeschwindigkeit der Nerven gemessen wird, kommt heraus, dass auch Bouffiers Nerv entlang des Ellenbogens nicht normal funktioniert. Die Diagnose: Sulcus-ulnaris-Syndrom, auch Kubitaltunnel-Syndrom genannt.
Dieses Syndrom sei die zweithäufigste Nervenkompressionserkrankung im Arm, sagt der Wiesbadener Neurochirurg Dr. Abdi Afsah, bei dem Michael Bouffier seit einigen Monaten in Behandlung ist. „Obwohl es relativ häufig vorkommt, wird es leider oft verkannt.“ Typisch dafür sei, dass Patienten auch die Funktion in der Hand verlieren: Schlüssel nicht mehr benutzen und Gläser nicht mehr aufschrauben können.
Wie das Sulcus-ulnaris-Syndrom entsteht
Schuld an diesen Symptomen kann eine Reizung des sogenannten Ulnaris-Nervs sein, der daraufhin anschwillt, nicht mehr ausreichend Platz findet und somit eingeklemmt wird. Dieser Nerv verläuft vom Oberarm aus in die Hand und muss dabei eine enge Knochenrille am Ellenbogen passieren, die man umgangssprachlich als „Musikantenknochen“ bezeichnet. Weil der Nerv in diesem Bereich nur von etwas Fett, Bindegewebe und Haut geschützt wird, ist er dort besonders gefährdet. Jeder, der sich an dieser Stelle schon einmal gestoßen hat, kennt den Schmerz, das Kribbeln und die Taubheit, die sich bis in die Hand ausbreiten können. Bei Sulcus-ulnaris-Patienten fühle sich das ähnlich an, so Afsah, nur, dass die Symptome nicht mehr verschwinden.
Das Syndrom könne angeboren sein, so Afsah, nach einem Unfall entstehen, oder durch immer gleiche Arbeiten ausgelöst werden. „Viele Betroffene sitzen viel am Schreibtisch oder sind Berufskraftfahrer.“ Das beste sei, seinen Arm bei den ersten Symptomen nicht mehr zu belasten. „Aber das ist natürlich sehr schwer.“ Den Sulcus-ulnaris-Patienten werde deshalb zunächst eine Manschette verordnet, die sie tragen sollen, um die Bewegung im Ellenbogen einzuschränken.
Manschette, Kortison oder Operation
Michael Bouffier kam damit nicht sehr gut zurecht. „Ich sollte die Bandagen nachts tragen, aber das ging einfach nicht. So konnte ich nicht schlafen.“ Es gebe auch die Möglichkeit, dem Patienten Kortison zu verabreichen, so Afsah. „Ich persönlich mache das aber nicht, weil ich dadurch noch keine nachhaltige Besserung gesehen habe.“
Helfe die Schonung nicht aus, bleibe als letzte Option nur die Operation, so Afsah. „Denn wenn man das Sulcus-ulnaris-Syndrom nicht behandelt, kann das zu Lähmungen führen. Im schlimmsten Fall kann sich die Hand zu einer Kralle verformen, aber soweit kommt es zum Glück nur extrem selten.“
Michael Bouffier wurde im Januar von Afsah operiert. Der Eingriff dauerte etwa 25 Minuten und wurde in Vollnarkose durchgeführt. Er habe dabei den Nerv im Bereich des Ellenbogens freigelegt und das Gewebe entfernt, das den gereizten Nerv einengte, erklärt Afsah. Nach der Operation brauche der Nerv bis zu sechs Monaten, bis er sich wieder erholt habe.
Er habe schnell eine Verbesserung gemerkt, sagt Bouffier. „Nur selten kribbelt es noch etwas.“ Der Patient müsse sich aber an die veränderte Situation anpassen, sagt Afsah. „Ein Neurochirurg kann das nicht wieder reparieren, er kann nur die anatomische Situation so verändern, dass die Schmerzen verschwinden.“