Streit und Protest um AfD-Veranstaltungen im Wiesbadener Hilde-Müller-Haus
Dass die AfD im Hilde-Müller-Haus in Wiesbaden mehrere Veranstaltungen abhalten darf, sorgt für zunehmende Kritik. Mehrere Initiativen und Bündnisse gegen die Rechtspopulisten fordern ein Ende der Raumvergabe an die AfD. Mögliche Proteste gegen die Partei bei kommenden Veranstaltungen beschäftigen nun auch die Polizei.
Von Birgit Emnet
Mitarbeiterin Lokalredaktion Wiesbaden
Gegen die monatlichen Treffen der AfD im Hilde-Müller-Haus formiert sich Widerstand im Rheingauviertel. Foto: Torsten Boor
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WIESBADEN - Im Hilde-Müller-Haus am Wallufer Platz entwickelt sich gerade ein Politikum. Nach Protesten war dort am 4. Januar eine Veranstaltung der AfD abgebrochen worden. Durch Zwischenrufe eines Teils der etwa 90 Besucher des öffentlichen „Themenabends“ der Rechtspopulisten, die „Refugees are welcome here“ und „Nazischweine raus aus den Köpfen“ skandiert haben sollen, und auch wegen Rangeleien konnte die Veranstaltung nicht weitergeführt werden. Die Polizei ermittelt „wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz“.
Die Vorkommnisse waren auch Thema der Bürgerfragestunde im Ortsbeirat Rheingauviertel. Hier wurden Bedenken laut, der AfD nunmehr monatliche Zusammenkünfte im Hilde-Müller-Haus zu erlauben. Aus Sicherheitsgründen, wie es mehrfach hieß. Im Hilde-Müller-Haus mit seinem engen Treppenhaus würden Tumulte schnell problematisch. Andererseits wurde vor allem von der CDU auch die Versammlungsfreiheit angemahnt. Der Magistrat soll nun Informationen liefern, hieß es, wie man mit dem Thema umzugehen gedenke.
Die Sache drängt. Denn tatsächlich steht der nächste AfD-Termin im Hilde-Müller-Haus längst fest: Am Donnerstag, 1. Februar, um 19 Uhr, laden die Rechtspopulisten zum nächsten Vortrag „Kontrollverlust in Deutschland und die Folgen für den Mittelstand“ mit Autor Thorsten Schulte ein. Auf der AfD-Homepage wird die „freundliche und konstruktive Atmosphäre“ der Veranstaltung gelobt, bei der man „zu Beginn und Ende stets auch noch genügend Zeit für ein geselliges Miteinander in kleiner gemütlicher Runde“ habe. Ob dem so ist, steht indes zu bezweifeln, siehe den Facebook-Aufruf des „Wiesbadener Bündnis gegen Rechts“: Dort wird zu einer „Kunstaktion“ auf dem Wallufer Platz ab 18 Uhr aufgerufen. „Wir werden Bilder enthüllen, die zur Reflexion anregen und sich auf den Themenabend der AfD (,Kontrollverlust – wer uns bedroht und wie wir uns schützen‘) beziehen.“ Mit dem Appell: „Kommt zahlreich und bringt Freunde und Freundinnen mit.“
ORTSSATZUNG UND GRUNDGESETZ SCHREIBEN VERGABE VOR
- Die Ortssatzung über die Benutzung der Bürgerhäuser und ähnlicher Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden sieht eine Vergabe der Räumlichkeiten an die Einwohner der Stadt sowie die im Stadtgebiet ansässigen juristischen Personen und Personenvereinigungen (§ 3) u.a. zur Förderung des politischen und kulturellen Lebens (§ 2) vor. Diese Grundvoraussetzungen, so die Landeshauptstadt Wiesbaden, seien bei Themenabenden der AfD erfüllt. Das Grundgesetz gewährleistet durch Art. 3 GG in Verbindung mit Art. 21 und Art. 38 GG die Chancengleichheit der Parteien. Grundsätzlich schreibt das Parteiengesetz im § 5 vor, dass die von Kommunen und kommunalen Unternehmen betriebenen Einrichtungen allen Parteien offen stehen. „Einzelne Parteien zu benachteiligen ist deshalb rechtswidrig“, so die Stadt. Eine Verweigerung der Vergabe an die AfD wäre nur dann rechtmäßig, wenn die Partei durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes verboten wäre. „Die Landeshauptstadt Wiesbaden sieht aus diesem Grund keine Möglichkeit, der AfD die Nutzung zu untersagen“, so das Pressereferat.
Initiative fordert, Raumvergabe an die AfD zu beenden
Unterdessen hat sich auch eine Initiative aus Anwohnern und Gewerbetreibenden des Rheingauviertels sowie dem „Wiesbadener Bündnis gegen Rechts“ gegründet, die an das Beispiel der Frankfurter Eintracht erinnert und „die städtischen Körperschaften wie Ortsbeirat und Oberbürgermeister“ dazu aufruft, sich von einer Raumvergabe an die AfD zu distanzieren. „Alle zur Verfügung stehenden Mittel“ sollten ausgeschöpft werden, AfD-Veranstaltungen nicht weiter in städtischen Räumen stattfinden zu lassen und auf keinen Fall fortzusetzen. Zettel mit dem Titel „Miteinander im Rheingauviertel – gemeinsam gegen Rechts“ hängen an den Bäumen und wurden im Viertel verteilt.
Man halte, so die Initiative weiter, eine Raumvergabe im Hilde-Müller-Haus an die AfD „für nicht hinnehmbar und menschlich wie politisch für absolut skandalös, denn an der menschenverachtenden Politik der AfD gibt es keine Zweifel“. Die Briefautoren zählen auf: Die AfD hetze gegen Migranten und Flüchtlinge, fördere mit ihrem „völkischen Gedankengut“ rassistische Bestrebungen rechter Gruppen und verharmlose rechte Gewalt. Sie vertrete außerdem „in aggressiver Weise ein sexistisches Frauenbild“, kämpfe gegen die Ehe für alle und arbeite an der Ausgrenzung von Armen und Benachteiligten in dieser Gesellschaft. Vor allem aber sei sie ein Sammelbecken für Rechtsextreme und Neonazis. „Das Mindeste, was Bürgerinnen und Bürger von Wiesbaden in großer Mehrheit erwarten können, ist eine politisch eindeutige Positionierung und verwaltungsrechtliches Handeln, um die Fortführung dieser Veranstaltungsreihe unmöglich zu machen.“
Zwölf Termine genehmigt
Dazu heißt es aus dem Rathaus, dass sowohl die Ortssatzung zur Benutzung der Bürgerhäuser als auch das Grundgesetz es nicht erlaubten, einer Partei, die nicht verfassungsrechtlich verboten sei, eine Raumvergabe zu verweigern. Die AfD-Fraktion habe der Bürgerhausverwaltung der Landeshauptstadt im Juli vergangenen Jahres eine Terminanfrage für zwölf Termine im Hilde-Müller-Haus zukommen lassen, die dann auch genehmigt wurden. Die Sicherheitsaspekte habe man „zusammen mit der Polizei im Auge“.
Seitens der AfD heißt es, man habe wegen der Veranstaltung am Donnerstag eine Vorbesprechung mit der Polizei gehabt und gehe zuversichtlich davon aus, dass sie auch stattfinden könne. Robert Lambrou, Moderator der Veranstaltung, ergänzt, dass diejenigen, die von der Stadt forderten, der AfD die Räume zu entziehen, zum Rechtsbruch aufforderten. „Warum sollen wir am Stadtrand tagen?“, verteidigt der Landessprecher den Veranstaltungsort, von dessen Brisanz man vorher aber nichts gewusst habe. Lambrou, der den Aufruf des Bündnisses gegen Rechts kennt, kündigt an, man werde sich „die Veranstaltung diesmal nicht aus der Hand nehmen lassen“.