Shootingstar mit 89: Wiesbadener Seniorin spielt Hauptrolle im Musikvideo von "My friend the immigrant"
Dass sie im Alter von 89 Jahren noch mal zum Shootingstar werden würde – das hätte sich die gebürtige Westfälin Marie-Louise Heming selbst nicht träumen lassen. Nachdem die Band „My friend the immigrant“ eine Protagonistin im Seniorenalter suchte, ist sie nun als Hauptrolle im Musikvideo zur Single „Wooden heartbeat“ zu sehen.
Von Sina Schreiner
Stellvertretende Redaktionsleiterin Wiesbaden
Marie-Louise Heming, Protagonistin im Video "Wooden Heartbeat" der Band "My Friend the Immigrant", beim Kauf ihres Kostüms. Foto: Daniel Sax
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
WIESBADEN - Stolz hält Marie-Louise Heming das Album „About Life, Death and Trees“ in den Händen. „Für unseren Shootingstar“ hat Jonathan Stöbener, der Schlagzeuger der Band „My Friend The Immigrant“ ihr ins Booklet der CD geschrieben. Dass sie im Alter von 89 Jahren noch mal zum Shootingstar werden würde – das hätte sich die gebürtige Westfälin selbst nicht träumen lassen. Und lächelt verschmitzt, als sie die Widmung liest.
Seit dem vergangenen Jahr lebt Heming in der Kursana Seniorenvilla in Wiesbaden. Kurz nach ihrem Einzug ging bei Brigitta Rink, der Leiterin für soziale Betreuung, in der Seniorenvilla eine E-Mail ein. Für das Musikvideo zur Single „Wooden Heartbeat“ wurde eine Protagonistin im Seniorenalter gesucht; ob es da nicht vielleicht jemanden in ihrem Haus gäbe... Gibt es, dachte sich Rink und sprach Heming an. „Sie ist einfach viel zu agil und braucht ein Projekt.“ Und Heming musste nicht lange überlegen, als sie gefragt wurde: „Ich mache ja alle Dummheiten mit, das war bei mir Zuhause schon so.“
Gute Stimmung zwischen den Beteiligten
Vor der Kamera zu stehen, das sei anfangs schon ein ungewohntes Gefühl gewesen. „Aber ich hatte A gesagt, also musste ich auch B sagen.“ Gedreht wurde unter anderem im Bahnholz, in Dotzheim und in der Einkaufspassage im Schelmengraben. Der Fahrstuhl im Mauritius-Parkhaus ist der Protagonistin in besonderer Erinnerung geblieben. „Wie oft bin ich damit hoch und wieder runter gefahren...“ Ganz in Weiß (die Hose war eine Leihgabe, Bluse und Blazer wurden extra gekauft) läuft Heming im Video durch den Wald, liest Zeitung und bekommt eine Pizza serviert. Immer mit dabei: Eine Leinwand, auf der der Text des Lieds eingeblendet wird. „Im Wald haben wir vorher noch den Weg eben gemacht, damit sie nicht stolpert“, erzählt Stöbener.
Marie-Louise Heming spielt die Hauptrolle
im Video der Band „My friend the immigrant“. Foto: Daniel Sax
Marie-Louise Heming spielt die Hauptrolle
im Video der Band „My friend the immigrant“. Foto: Daniel Sax
2
Rink lobt die Stimmung zwischen allen Beteiligten. „Es war ein sehr respektvoller und höflicher Umgang, die Jungs hatten gegenüber Frau Heming einen sehr charmanten Ton.“ Und die Hauptdarstellerin machte ihre Sache mehr als gut. „Besser hätten wir es nicht treffen können“, lobt der Musiker. Die Seniorin selbst hatte ebenfalls großen Spaß: „Es war aber auch toll mit ihnen, da muss ich ein großes Lob aussprechen.“
Klare Botschaft in einem fluffigen Popsong
Die Idee zu dem Video hatte Daniel Sax. Der Regisseur setzte die Botschaft des Songs visuell um: „Eine ältere Person, die sagt: Es muss etwas gemacht werden. Mit der Leinwand trägt sie die Botschaft aus dem Ländlichen ins Urbane“, erklärt Stöbener, aus dessen Feder der Text stammt. Nach einer Dokumentation über Waldrodungen schrieb er den Song. „Die Natur fragt: Wieso kannst du keinen normalen Umgang mit mir finden? Heutzutage muss alles so schnelllebig sein, immer mehr, immer schneller.“ Dabei klingt das Stück beim ersten Hören alles andere als schwermütig und anklagend. „Wir haben eine klare Botschaft in einen fluffigen Popsong verpackt“, sagt Stöbener.
Zusammen mit seinen Brüdern Christoph, Johannes und David sowie dem Ukrainer Rinat Rashapov, der mittlerweile in Kanada lebt, gründete er 2010 die Band. Geprobt wird im Schlachthof, Auftritte haben sie bei Festivals deutschlandweit. Im April dieses Jahres nun die Veröffentlichung des Albums, dessen erste Single „Wooden Heartbeat“ ist.
Die Gruppe könnte sich vorstellen, mit Heming als Akteurin auch für weitere Videoprojekte zusammenzuarbeiten. Der Besuch der jungen Herren im Seniorenheim sorgte außerdem für Aufsehen bei den Bewohnern. „Einige haben schon geguckt, wegen der jungen Männer_“, erzählt Heming und grinst. Die Musiker haben die 89-Jährige jedenfalls in ihr Herz geschlossen. „Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber es ist, als hätten wir jetzt eine neue Oma in Wiesbaden.“