Sektion Wiesbadener des Alpenvereins erforschen NS-Vergangenheit
„Nach der Einführung des Arierparagrafen gab es Streit“, wissen Mechthild Zimmer-Zilias, Matthias Weber und Michael Sauter. Für ihre Arbeit suchen sie Zeitzeugen mit weiterem Material.
Von Barbara Yurtöven
Matthias Weber und Mechthild Zimmer-Zilias können bei ihrer Forschungsarbeit bisher nur auf wenige Originaldokumente zurückgreifen.
(Foto: Barbara Yurtöven)
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WIESBADEN - Viele Stunden an Zeit haben sich seit einem Jahr in der Sektion Wiesbaden des Deutschen Alpenvereins (DAV) die Mitglieder Mechthild Zimmer-Zilias und Matthias Weber sowie der Ehrenvorsitzender und Archivar Michael Sauter mit der Geschichte der Sektion in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschäftigt. Und sie betraten Neuland, denn bis jetzt gab es noch keine gezielte Aufarbeitung der NS-Vergangenheit.
Beim Vorstand der Sektion Wiesbaden stießen die drei auf offenen Ohren. Schwierig war es allerdings, an Informationen zu kommen. Nach einem Bombentreffer war die damalige Geschäftsstelle der Sektion Wiesbaden ausgebrannt und mit ihr die dortigen Unterlagen. So konnten die drei Rechercheure nur auf wenige Originaldokumente und ein Protokollbuch mit den Niederschriften von Vorstandssitzungen und Mitgliederversammlungen aus diesen Jahren zurückgreifen. Handschriftlich hatte der Schriftführer August Claas alles Wichtige festgehalten. Auch den Eingang des Schreibens des Sanitätsrats Nathan Heß und 13 weiterer Mitglieder jüdischen Glaubens, die um Aufklärung baten, ob der Vertreter der Sektion Wiesbaden bei der Abstimmung zur Donaulandaffäre im Auftrag des Vorstands gehandelt habe und warum in dieser wichtigen Angelegenheit nicht vorher eine Generalversammlung einberufen worden war. Die Antwort des Vorstands folgte auf dem Fuße. „Der Vertreter habe im Einverständnis des Vorstands gehandelt und man habe für eine Generalversammlung keine Veranlassung gesehen“, lautete die Antwort. Darauf erklärten die 14 jüdischen Mitglieder geschlossen ihren Austritt. Nach Recherchen in verschiedenen Archiven konnten weitere Informationen zusammengetragen werden. So kennt man jetzt die Namen von elf der 14 jüdischen Mitglieder. „Aber darüber, wie man mit jüdischen Mitgliedern in diesen Jahren umgegangen ist, haben wir nichts gefunden“, erzählt Weber. „Möglicherweise hat es nach der Donaulandaffäre auch keine jüdischen Mitglieder mehr gegeben.“
Die Arbeit soll auf jeden Fall weitergehen
Die Ergebnisse der Recherche will man jetzt bei der Mitgliederversammlung im Mai vorstellen. Und man hofft, dass die Veröffentlichung auch dazu führt, an Unterlagen aus dieser Epoche des Alpenvereins zu gelangen, die bislang noch unbeachtet in Kellern und auf Dachböden liegen. „Wir interessieren uns für alles“, betont Weber. Aber auch ohne zusätzliche Funde wird die Arbeit weitergehen. „Wir machen uns dann an die Jahre nach 1925, dazu gibt es auch mehr Material“, sagt Weber und hofft auf viele weitere Erkenntnisse. „Dass es nach der Einführung des Arierparagrafen etlichen Streit gab, das wissen wir bereits aus den Akten.“
DIE SEKTION DONAULAND
In Österreich gab es schon zu Beginn der 20er Jahre im Deutschen und Österreichischen Alpenverein (DuOeAV) starke antisemitische Strömungen, sodass jüdische Mitglieder und ihnen verbundene nichtjüdische Mitglieder 1921 eine eigene, die Donaulandsektion, gründeten. 1922 und 1923 wurde vergeblich der Ausschluss dieser Sektion beantragt. 1924 drohten die 98 österreichischen und drei deutsche Sektionen mit ihrem Austritt. Um eine Spaltung zu verhindern, wurde ein Kompromiss vorgeschlagen, der einen Ausschluss der Sektion Donauland befürwortete, dafür aber in den folgenden acht Jahren antisemitische Agitationen und die Einführung eines Arierparagrafen verhindern sollte. Dieser Vorschlag wurde im Dezember mit großer Mehrheit angenommen. Auch die Sektion Wiesbaden stimmte dafür.