Opfer fühlt sich "verhöhnt": Tatverdächtiger kommt nach Überfall in Wiesbaden gegen 400 Euro frei
Mitten am Tag wird Andres M. auf der Wiesbadener Wilhelmstraße überfallen und um 13.000 Euro bestohlen. Es ist die Tat mehrerer ausgebuffter Profis, die ihr Opfer gezielt ausgespäht hatten. Für Empörung sorgt bei Andres M. im Nachhinein aber Folgendes: Einer der Täter wurde zwar geschnappt, kommt aber nach Zahlung einer Sicherheitsleistung 400 Euro wieder frei.
Von Wolfgang Degen
Mitarbeiter Lokalredaktion Wiesbaden
Ein von den Tätern zerstochener Autoreifen lenkt das Opfer ab, diese Gelegenheit nutzen die Täter. Symbolfoto: Kadmy - stock.adobe.com
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WIESBADEN - „Das ist unglaublich“, sagt Andres M.. „Da bin ich als Pilot in der ganzen Welt unterwegs, auch an gefährlichen Orten, aber nie war ich in einer solchen Situation. Und dann passiert es ausgerechnet hier in Wiesbaden, in dieser feinen Straße.“ Die „feine Straße“, wie er sie nennt, ist die Wilhelmstraße. In seinem Fall war sie am Mittwoch vergangener Woche am helllichten Tag Tatort, in Höhe Bowling Green wurde dem 59-Jährigen aus dem Auto heraus das Jackett gestohlen, mit rund 13.000 Euro.
Ausgebuffte Profis
Die Tat war das Zusammenspiel mehrerer Täter, beteiligt waren mindestens zwei Männer und eine Frau. Ausgebuffte Profis, die ihr Opfer in der Filiale der Deutschen Bank ausgespäht und ab da verfolgt hatten. Bis in die Tiefgarage Dernsches Gelände. Hier scheiterte der erste Versuch, an das Geld zu kommen. Unbemerkt von Andres M. wurde aber ein Reifen seines Autos plattgestochen, das war dann der Grund, dass er am Bowling Green parkte, um den Reifen zu wechseln. Hier griff einer der Täter dann zu, als Andres M. mit dem Wagenheber beschäftigt war.
Dieser Täter wurde festgehalten, zuvor hatte er aber die Beute einem Komplizen übergeben können. Dieser konnte flüchten, das aber nur, weil er ein Messer zückte, Andres M. bedroht und auf Abstand gehalten hatte. Die 13.000 Euro sind viel Geld, die eigene Gesundheit ist dem Opfer in dieser Situation aber wichtiger gewesen.
Täter nach einer Nacht im Polizeigewahrsam wieder frei
Andres M. hat seiner Empörung nun Luft verschafft, er hat seinen Fall in einem Schreiben der „sehr geehrten Frau Bundeskanzlerin“ geschildert. Empört ist das Opfer darüber, wie mit dem festgehaltenen und dann festgenommenen Täter verfahren wurde: Nach einer Nacht im Polizeigewahrsam kam der 42-Jährige, ein Kolumbianer ohne Wohnsitz in Deutschland, wieder auf freien Fuß. Nach Zahlung einer Sicherheitsleistung von 400 Euro. Eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft.
Geregelt ist die Zahlung einer Sicherheitsleistung in der Strafprozessordnung, und zwar für den Fall, dass ein dringend Tatverdächtiger keinen festen Wohnsitz in Deutschland hat und die Voraussetzungen eines Haftbefehls nicht vorliegen. Mit der Sicherheitsleistung soll die Durchführung des Strafverfahrens sichergestellt werden, es soll auch eine „angemessene Sicherheit“ für die zu erwartende Strafe sein.
Mit 400 Euro wieder "freigekauft"
„400 Euro für eine solche Straftat sind ein Witz“, findet Andres M.. Als Opfer fühle man sich verhöhnt, und für die Polizei sei es „demotivierend“, wenn sich dringend Tatverdächtige derart „billig“ davonmachen könnten. Zumal auch im Rucksack des zuvor in Deutschland nicht polizeibekannten Kolumbianers Messer gefunden wurden. Die Polizei habe „gute Arbeit geleistet“ und alles versucht, den Mann in Haft zu bringen. Die Staatsanwaltschaft habe anders bewertet und keine Voraussetzungen für eine Untersuchungshaft gesehen. Fluchtgefahr wäre eine solche Voraussetzung gewesen.
„Mich wundert nicht, dass die Polizei frustriert ist, ich bin es auch“, sagt das Opfer. „Die Gesetze in Deutschland machen es unmöglich, solche Taten aufzudecken. Wie soll ich meiner 14-jährigen Tochter erklären, dass wir in einem Land leben, in dem geständige Täter sich mit 400 Euro freikaufen können und unbescholtene Bürger als Opfer auf der Strecke bleiben?“ Als Bürger fühle man sich weder „sicher“ noch „gerecht behandelt“.