"Notbremse" im Prozess "Mord ohne Leiche" in Wiesbaden: Verteidiger fordern Neustart des Verfahrens
Am 25. Verhandlungstag im Prozess "Mord ohne Leiche" haben die Verteidiger des Angeklagten Emmanuel B. zum dritten Mal eine Aussetzung des Verfahrens gefordert. Es sei ein unfairer Prozess, so die Begründung. Am 5. Februar will die Schwurgerichtskammer eigentlich das Urteil verkünden.
Von Wolfgang Degen
Lokalredakteur Wiesbaden
Symbolfoto: dpa
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WIESBADEN - Eine Notbremse, so kann man nachlesen, „ist eine technische Vorrichtung zur Auslösung einer sofortigen Bremsung, um Gefahr abzuwenden“. Der Begriff ist auch Fußballfans geläufig: Mit einer Notbremse wird eine Torchance vereitelt.
Am 25. Verhandlungstag im Prozess „Mord ohne Leiche“ haben am Dienstag die Verteidiger des Angeklagten Emmanuel B. auch zu einer Notbremse gegriffen. Auch sie wollen höchste Gefahr abwenden – die Verurteilung ihres Mandanten. Der 40-jährige Geschäftsmann soll seine Frau Britta am 16. Februar 2014 im damals gemeinsamen Haus in Schlangenbad-Wambach getötet, die Leiche zerstückelt und die kleinteiligen Überreste entsorgt haben.
Verurteilung zeichnet sich ab
Es ist ein schwieriger Indizienprozess, und doch zeichnet sich nach dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme immer deutlicher die Verurteilung ab. Die Verteidiger Axel Küster und Hans-Dieter Henkel fordern nun – zum dritten Mal – eine Aussetzung des Verfahrens. Es solle ein Neustart gemacht werden. Küster erklärt, dass nach seiner Auffassung das Gericht keine andere Wahl habe. Die Terminplanung sieht vor, dass die Schwurgerichtskammer am 5. Februar das Urteil verkünden will. Der Prozess ist also auf der Zielgeraden.
Es ist Henkel, der ausspricht, was der Hintergedanken eines Neustarts ist: Dann sei „ein ganz anderes Aussageverhalten des Angeklagten“ zu erwarten. Er sei der „sicheren Überzeugung“, dass es so kommen würde. Weil er nicht in die Zukunft schauen kann, muss die Erklärung für eine solche Gewissheit in der Gegenwart begründet sein. Diese Gegenwart heißt aus Sicht der Verteidigung: Wir sind in Anbetracht der Beweislage am Ende mit unserem Latein. Die bisherige Verteidigungsstrategie – Zu warten, was auf den Tisch kommt, bei gleichzeitigem Schweigen des Angeklagten – ist gescheitert.
Der verzweifelte Griff nach einer Notbremse kann schlechterdings aber damit begründet werden, dass es schlecht aussieht für den Angeklagten.
Neustart mit juristischem Mantel
Der geforderte Neustart braucht einen juristischen Mantel, und dafür trägt Küster 25 Punkte vor. Sie gipfeln in der einen, schon häufig von ihm geäußerten Einschätzung: Es sei kein faires Verfahren, weil nach Prozesseröffnung scheibchenweise neue Ermittlungsergebnisse nachgeschoben worden seien. Im laufenden Prozess sei „eine grundsätzlich neue Beweislage entstanden“, die Verteidigung habe sich darauf nicht einstellen können. Eine „grundsätzliche Neuorientierung“ sei nötig. Was er nicht sagt, aber meint: Bei der „Neuorientierung“ könnte man strafmildernd irgendwie punkten, etwa mit einem Geständnis. Dieser Zug ist im laufenden Prozess abgefahren.
Die nachgeschobenen Beweise erschweren unbestritten die Arbeit der Verteidigung. Sie schaffen aber nichts grundsätzlich Neues. Sie erhärten nur einen hinreichenden Tatverdacht, den schon das Oberlandesgericht Frankfurt in zwei Entscheidungen vom Januar und vom März 2015 bejaht hatte. Bei damals weitaus schwächerer Beweislage. Am 21. Januar, 9 Uhr, wird das Verfahren fortgesetzt.