Mit Auto Polizisten angefahren: Bewährungsstrafe für Taunussteiner
Spektakuläre Flucht im Mai letzten Jahres: Ein Betrunkener flieht vor einer Straßenkontrolle, fährt einen Polizisten um und verletzt ihn schwer. Nun wurde der Fahrer in Wiesbaden verurteilt.
Von Wolfgang Degen
Mitarbeiter Lokalredaktion Wiesbaden
Symbolbild: Picture Factory/Fotolia
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WIESBADEN - Es ist am Donnerstagnachmittag in der Urteilsverkündung vor der 2. Strafkammer des Landgerichts viel von „Glück“ die Rede. „Sie hatten Glück, dass nicht noch viel Schlimmeres passiert ist.“ Dieser Satz gilt dem Angeklagten. Hakan M. hätte töten können. „Glücklicherweise hatten Sie noch etwas zur Seite weichen können.“ Dieser Satz gilt dem Opfer. Der junge Polizist hätte im Dienst sterben können. Wenige Zentimeter und ein anderer Winkel können Glück ausmachen.
Beider Glück ist in der Nacht zum 13. Mai 2017 in der Straße Am Hinkelhaus im Stadtteil Auringen verzahnt. Es ist ein sehr labiles Konstrukt. Denn Hakan M. geht volles Risiko, um in der Sackgasse doch noch einer Polizeikontrolle entkommen zu können. Auf Teufel komm raus. Er ist betrunken, und er hat Kokain genommen. Er weiß, dass der Führerschein lange weg ist, wenn er erwischt wird. Minuten zuvor hatte er auf der B455 an der Auffahrt Niedernhausen zur Autobahn schon einmal volles Risiko gewählt. Er flüchtet an einer Kontrollstelle der Polizei. Bloß nicht erwischen lassen. Dieser Gedanke treibt den heute 37-Jährigen in jener Nacht um. Jägermeister und Kokain lösen die hemmende Bremse dessen, was die Vernunft gebieten würde. Hör auf! Mach’s nicht noch schlimmer!
Mit maximal 27 km/h trifft er den Beamten
Der Mann aus Taunusstein beschleunigt in der Sackgasse seinen Smart, den er zur Verblüffung der ihn verfolgenden Polizisten zuvor auf engstem Raum gewendet hatte. Der Motor habe „aufgeheult“, wird eine Anwohnerin schildern. Etwa achteinhalb Meter, diese Entfernung wird man später annehmen, steht vor dem Smart ein Polizeioberkommissar auf der Fahrbahn. Hakan M. nimmt in Kauf, dass seine weitere Flucht nicht nur unglaublich riskant ist, er nimmt auch in Kauf, dass der Polizist zumindest verletzt werden könnte. Mit maximal 27 Stundenkilometern trifft er den Polizisten. Dem Beamten gelingt noch eine Ausweichbewegung, gleichwohl wird er von der linken Seite des Autos erfasst, aufgeladen und dann zu Boden geschleudert.
Das Auto als rollende Waffe. Hakan M. rast davon. Zurück bleibt ein verletzter Polizist. Verletzt, aber gerade noch so geschafft, viel Schlimmeres abzuwenden. Bis in den Oktober 2017 ist der Beamte dienstunfähig. Zu den körperlichen Schmerzen durch den Bruch des linken Unterarms und diverse Prellungen kommt eine Traumatisierung. Verstörende Bilder kommen hoch: Ein Auto, das förmlich aufs Gesicht zuschießt. Quälendes Kopfkino ohne Aus-Schalter.
Ein Tötungsvorsatz war nicht nachweisbar
Am Donnerstag schlägt sich das Glück mit Wucht auf die Seite von Hakan M., beim Urteil der Strafkammer: zwei Jahre Gesamtfreiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. Für einen vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, für seinen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, für die Trunkenheitsfahrt und die gefährliche Körperverletzung. Im Ergebnis sei es „ein mildes Urteil, das der Kammer nicht leicht gefallen“ sei, sagt Vorsitzender Richter Jürgen Bonk. „Gerade noch vertretbar.“ Vorstellbar gewesen wäre auch, was Staatsanwältin Ulrike Eckert gefordert hatte: drei Jahre und vier Monate.
Ein Tötungsvorsatz, wie in der Anklage noch angenommen, sei nicht nachweisbar, sagt Bonk. Der Fahrer habe zur „Rettung des Führerscheins“ eine Verletzung des Polizisten aber in Kauf genommen. „Das Geschehen war für Sie in keinster Weise steuerbar.“ Hakan M. hat anerkannt, seinem Opfer ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro zu zahlen. Die Bewährungsauflagen verpflichten ihn zu regelmäßigen Blut- und Urinkontrollen, er muss 200 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Das Gericht verhängt eine Sperre von zweieinhalb Jahren für den Führerschein.