„Persönlich bin ich froh, dass der Andechser die Veranstaltung in seinen Räumen abgesagt hat. Als Oberbürgermeister weise ich darauf hin, dass es einer nicht verbotenen Partei möglich ist, Räumlichkeiten anzumieten und dass der Vermieter selbst zu entscheiden hat.“ So hatte Wiesbadens OB Sven Gerich die Absage einer AfD-veranstaltung im RAtskeller kommentiert. Dazu gab es nun eine AfD-Anfrage bezüglich Gerichs Demokratieverständnis an den Magistrat. Gerich antwortete.
WIESBADEN -
Ein Beitrag dieser Zeitung war Thema in der Fragestunde der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag. Im Zusammenhang mit einer geplanten AfD-Veranstaltung im Ratskeller war der Oberbürgermeister Sven Gerich zitiert worden: „Persönlich bin ich froh, dass der Andechser die Veranstaltung in seinen Räumen abgesagt hat. Als Oberbürgermeister weise ich darauf hin, dass es einer nicht verbotenen Partei möglich ist, Räumlichkeiten anzumieten und dass der Vermieter selbst zu entscheiden hat.“
Dazu wollte nun der AfD-Fraktionsvorsitzende Eckhard Müller vom Magistrat wissen, wie er die Aussagen des Oberbürgermeisters bewertet. Er formulierte auch die Frage, ob sich ein OB in einer Stellungnahme gleichzeitig als Stadtoberhaupt und davon abweichend persönlich äußern dürfe. Und: „Welche Art von Demokratieverständnis liegt den zitierten Äußerungen des Oberbürgermeisters zugrunde?“
"Mache keinen Hehl aus meinen politischen Ansichten"
Sven Gerich ließ es sich nicht nehmen, die Antwort persönlich zu geben. Wir veröffentlichen sie an dieser Stelle auszugsweise im Wortlaut:
„Von einem Oberbürgermeister als Amtsträger werden zurecht Dinge erwartet, die von einer Privatperson nicht erwartet werden. Insofern liegt es nahe, dass ein Amtsträger sich – auch wenn es Ihnen nicht gefallen mag – mitunter als Privatperson und Parteipolitiker äußert. Dass er dabei in der Öffentlichkeit als Amtsträger wahrgenommen wird, ist nicht von ihm zu verantworten. Dies zu betonen, würde eine politische Aussage eines Oberbürgermeisters unmöglich machen.
(...) Ich mache keinen Hehl aus meinen politischen Ansichten und bin daher auch bereit, sie auszusprechen, weiß bei konfrontativen Sachverhalten aber sehr wohl auf den Unterschied zwischen Amt und Person hinzuweisen. Nur in meiner Funktion als Oberbürgermeister bin ich stets an das Neutralitätsgebot gebunden. (...) Nichtsdestotrotz ist es mir aber auch als Oberbürgermeister gestattet, mich (...) zu gesellschaftsrelevanten Entwicklungen zu äußern und hiermit an die Öffentlichkeit zu treten. (...) Und nun komme ich zur eigentlichen Frage, der Frage des Demokratieverständnisses. Ich muss sagen, ich bin erstaunt, dass sie von der Wiesbadener AfD-Fraktion gestellt wird, in Person des Fraktionsvorsitzenden, der gleichzeitig Parteivorsitzender ist und damit sicher auch um das Demokratieverständnis der AfD insgesamt weiß.
"Mein Demokratieverständnis habe ich dargelegt"
Mein Demokratieverständnis habe ich dargelegt: ‚Alle nicht verbotenen Organisationen haben das Recht, sich zu versammeln und Räume anzumieten, sofern ihnen der Vermieter diese Räume überlässt. Auf die rechtliche Frage, ob ein Vermieter dies auch gegen seinen Willen tun muss, gehe ich als Befürworter der sozialen Marktwirtschaft und Gegner einer sozialistischen Wirtschaftsordnung nicht ein.
(...) Mein Demokratieverständnis beruht auf dem Grundgesetz. Dafür brauche ich auch keine leitkulturellen Richtlinien aus einem Ministerium. (...) Mein Demokratieverständnis ist, dass zunächst einmal die Würde des Menschen unantastbar ist. Diese Würde kommt allen Menschen zu – übrigens nicht nur deutschen Staatsbürgern. (...) Und jetzt frage ich Sie nach Ihrem Demokratieverständnis. Ist das ebenfalls das Grundgesetz? Wenn dies so ist, so habe ich noch gar keine Aussage, Pressemeldung, Rede zu einem prominenten Vertreter Ihrer Partei gehört (Anermkung der Redaktion: Gerich zitiert nachfolgend Sätze des thüringischen AfD-Fraktionschefs Björn Hocke) (...) Ich habe von Ihnen noch keine öffentliche Distanzierung wahrgenommen.
(...) Ich kann es nicht ändern, wenn sich Menschen bei Ihnen bewerben, die auf Facebook unverhohlen in Nazi-Vokabular hetzen. Ich bin nicht verantwortlich dafür, dass in Ihrer Partei in Wiesbaden Menschen Mitglied sind, die zum bewaffneten Bürgerkrieg aufrufen. Das ist doch alles Ihr Problem – schieben Sie das doch nicht mit einem schwachen Vorwurf des mangelnden Demokratieverständnisses auf den Oberbürgermeister.
(...) Lassen Sie mich aus dem Entwurf des Positionspapiers des Bündnisses für Demokratie zitieren. Ein Bündnis, in dem sich ursprünglich Demokraten zusammengetan haben, um die Reihen gegen die NPD zu schließen und dem neben Gewerkschaften, Kirchen und Arbeiterwohlfahrt auch die Wiesbadener CDU, die SPD und die Grünen angehören: ‚Die lokale AfD ist Teil dieses ideologischen und parteilichen Ganzen, auch wenn manche Mitglieder harmlos auftreten und einzelne Positionen ihrer Mutterpartei kritisieren, ohne dem aber je irgendwelche Taten folgen zu lassen. Die AfD pflegt ihre vorgebliche Opferrolle, um damit zu rechtfertigen, dass sie selbst fortgesetzt gegen die Grundregeln eines demokratischen und friedlichen Miteinanders verstößt.‘ Ich freue mich auf Ihr Bekenntnis zu unserer Demokratie, zum Grundgesetz und auf die Absage an alle rassistischen und menschenverachtenden Positionen Ihrer Partei.“