Im Interview: Oliver Franz zum Gesundheitsstandort
Eine starke HSK, mehr Fachkräfte, eine medizinische Fakultät und genug Flächen für die Gesundheitswirtschaft – Wiesbaden soll eine führende Gesundheitsstadt werden.
Oliver Franz (CDU) ist Bürgermeister und außerdem Dezernent für Gesundheit, Kliniken und Wirtschaft.
(Archivfoto: Franz)
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WIESBADEN - Was in Wiesbaden mit der Historie als Weltkurstadt begann, hat sich heute zum Gesundheitsstandort ausgewachsen, an dem rund 16 000 Menschen in 700 Betrieben der Branche arbeiten. Dazu zählen neben Kliniken und Arztpraxen, auch international tätige Firmen wie Abbvie und mehr als 200 Handwerksbetriebe wie Augenoptiker und Hörgeräteakustiker. CDU-Bürgermeister Oliver Franz ist als Dezernent auch für Gesundheit, Kliniken und Wirtschaft zuständig. Wie er den Standort Wiesbaden stärken will und was er von den Helios-Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken (HSK) erwartet – darüber haben wir mit ihm gesprochen.
Herr Franz, Sie wollen Wiesbaden zu einer führenden deutschen Gesundheitsstadt machen und dafür noch enger mit den Kliniken zusammenarbeiten. Woran hat es bislang gehakt?
Wiesbadens Krankenhäuser nehmen sich stark kompetitiv wahr, obwohl sie auch gemeinsame Interessen haben. Inzwischen haben wir ein Kliniknetzwerk etabliert, in dem wir über die Themen sprechen, die alle Kliniken betreffen, und in dem wir gemeinsam tragfähige Lösungen entwickeln.
Ein Fokus der Kooperation soll auf der Fachkräftegewinnung liegen. Bekanntlich suchen nicht nur Kliniken, sondern auch Pflegeheime und mobile Dienste Pflegekräfte. Wie wollen Sie die nach Wiesbaden locken?
Nicht nur in der Pflege herrscht Personalmangel, sondern auch im ärztlichen Bereich zeichnet sich bereits heute eine Personalverknappung ab. Die Erfahrung zeigt, dass Ärzte in der Jobsuche deutlich mobiler sind als Pflegekräfte, die dem Wohnort eher treu bleiben. Doch auch für sie kommt es auf günstige Arbeitsbedingungen an. Generell ist nicht allein die Bezahlung wichtig, sondern die „weichen Faktoren“ wie Arbeitsatmosphäre, Betriebskitas, Werkswohnungen und Jobtickets sind zunehmend von Bedeutung.
Gerade an den HSK hat das Fehlen von Pflegekräften, auch bedingt durch die missglückte Personalpolitik, massive Folgen und führt dazu, dass nicht alle Betten betrieben werden. Wie wollen Sie den städtischen Einfluss – auch durch die neue Geschäftsführerin Nicole Grimm – nutzen, um die Versorgung zu sichern?
In aller Deutlichkeit: Durch die vor fast einem Jahrzehnt geschlossenen Verträge haben wir keinen Zugriff auf das operative Geschäft der HSK. Wir haben die Mehrheit der Anteile, Helios kann uns aber in der Gesellschafterversammlung überstimmen. Ich kann im Interesse der Stadt aber Missstände ansprechen, Lösungen anmahnen und Verbesserungen fordern. Aufgabe von Frau Grimm ist es, zu überwachen, ob die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Helios und der Stadt eingehalten werden.
Was sind Ihre Anforderungen?
Ich erwarte von den HSK als Maximalversorger, dass das Leistungsspektrum uneingeschränkt aufrechterhalten bleibt. Deshalb ist ein „Gesundschrumpfungskurs“ nicht akzeptabel. Wir haben in der Stadt zum Beispiel nur eine Kinderklinik, in der unheimlich viel geleistet wird. Sie muss aufrecht erhalten und wieder gestärkt werden. Helios muss alles dafür tun, dass Kinder weiter exzellent versorgt werden und dass die Arbeitsbedingungen insbesondere in der Kinderklinik so gut wie möglich sind.
Auch bei den Hebammen ist die Situation dramatisch. Wo sehen Sie die Rolle der Stadt?
Ich schlage vor, dass wir die Ausbildungskosten für sieben zusätzliche Hebammenschülerinnen übernehmen als eine Art Fachkräftepakt – jeder Platz kostet uns jährlich 23 500 Euro. Anstatt 18 können dann 25 ausgebildet werden. Die Schülerinnen müssen sich im Gegenzug dazu verpflichten, ihren Beruf für eine bestimmte Zeit nach der Ausbildung in Wiesbaden auszuüben.
Ein wichtiger Gesundheitsstandort lag immer auch im Aukammtal. Doch auf dem ehemaligen Gelände der Klinik am Bingert in der Leibnizstraße stehen seit Jahren nur Ruinen – nun ist Wohnungsbau im Gespräch. Verliert das Kurgebiet an Bedeutung?
Einen Kurbetrieb wie früher wird es nicht mehr geben. Aber im Aukammtal gibt es noch viele Angebote: die DKD, die Aukammklinik und die Wilhelm-Fresenius-Klinik. Ich schließe eine Wohnbebauung in der Leibnizstraße nicht kategorisch aus. Man muss sich dann aber Gedanken über Reserveflächen machen und sie gegen den Wohnungsdruck verteidigen. Sonst fehlen irgendwann Flächen für die Gesundheitsversorgung.
Die Weltkurstadt Wiesbaden zog auch immer viele ausländische Gäste in die Stadt. Tut das Stadtmarketing genug dafür, dass das in Zukunft so bleibt?
Ja, wir sind bei vielen europäischen Veranstaltungen vertreten. Die Gesundheitstouristen kommen aber gerade auch wegen des guten Rufs der DKD, sie ist ein wertvolles Angebot. Von diesen Touristen profitiert unsere Stadt doppelt: Denn sie übernachten in den Wiesbadener Hotels, besuchen die Restaurants und Geschäfte in unserer Stadt und sorgen natürlich für erhebliche Umsätze bei den Gesundheitsanbietern. Unser Ziel ist es, dieses Segment kontinuierlich ausbauen.
Apropos Marketing: Neben den Internisten (DGIM) richten auch andere Gesellschaften ihre medizinischen Kongresse im Rhein-Main-Congress-Center aus. Sind sie mit der Zahl schon zufrieden?
Dass wir die DGIM zurück nach Wiesbaden holen konnten, war ein großer Erfolg und keineswegs selbstverständlich. Doch es gibt noch eine ganze Reihe kleinerer Kongresse, die keinen festen Tagungsort haben. Um die muss sich die Geschäftsführung des RMCC bemühen und sie gezielt ansprechen. Sie sind dort strategisch im Fokus.
Gerade von Ärzten wird immer wieder eine medizinische Fakultät in Wiesbaden gefordert. Bemühen Sie sich darum?
Dieses Thema habe ich bereits sehr früh angesprochen und es wird auch in unserem Kliniknetzwerk thematisiert. Dass uns eine solche Fakultät fehlt, ist für Wiesbaden derzeit ein Handicap. Denn während Ärzte in Universitätsstädten nach dem Abschluss auch oft dort bleiben und arbeiten, müssen wir sie erst dazu bewegen, nach Wiesbaden zu kommen. Die Chancen für eine staatliche Volluniversität in Wiesbaden sind aber leider gleich Null. Es gibt jedoch andernorts bereits Lösungen mit privaten Hochschulen. Ich würde mich dafür mit Nachdruck einsetzen, falls sich ein Träger findet.
Was ist mit der Akademisierung der Pflege? Zumindest die Hochschule Rhein-Main schließt einen Pflegestudiengang aktuell aus. Muss Wiesbaden so etwas künftig anbieten?
Wenn es geht, sollten wir das tun, und ich habe darüber auch schon mit der Hochschule Fresenius gesprochen. Nur: Der Studiengang alleine wird die Probleme in der Pflege nicht lösen, wenn die Rahmenbedingungen so bleiben. Pflegekräfte brauchen Verlässlichkeit in der Lebens- und Arbeitsplanung und eine akzeptable Vergütung. Die Attraktivität des Berufs hängt nicht nur vom Abschluss ab.