GWH und Stadt Wiesbaden wollen neue Wohnungen für die Mittelschicht im Schelmengraben
Im Schelmengraben sollen 800 bis 1.000 neue Wohnungen entstehen. Am Mittwochabend wurde das Vorhaben im Ortsbeirat Dotzheim erstmals öffentlich vorgestellt. Das Ziel der Bau-Offensive: Mehr Mittelschicht in den Schelmengraben.
Von Anke Hollingshaus
Lokalredakteurin Wiesbaden
Mehr Wohnraum für den Schelmengraben: Die grauen Flächen sind jetzt bereits bestehende Gebäude, Orange heißt Ergänzungsbauten, Gelb bedeutet Aufstockung und Blau sind Ersatzgebäude. Quelle: GWH, Bearbeitung: vrm/ap
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WIESBADEN - Im Schelmengraben sollen 800 bis 1.000 neue Wohnungen gebaut werden. Die Stadt und die GWH verhandeln über entsprechende Pläne der Wohnbaugesellschaft seit etwa anderthalb Jahren. Am Mittwochabend wurde das Vorhaben im Ortsbeirat Dotzheim erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Im September wird dem Stadtparlament ein sogenannter „Letter of Intent“, also eine Absichtserklärung vorgestellt werden.
Gerich rechnet, wie er gegenüber dieser Zeitung sagt, mit einer breiten Zustimmung, zumal die Kooperation aus SPD, CDU und Grünen im Rathaus in ihrer Vereinbarung den Bau von jährlich 1.200 Wohnungen beschlossen hat, darunter ein Drittel mit öffentlicher Förderung. Hat das Stadtparlament den groben Plänen zugestimmt, geht es an feinere Planungen, dann wird ein neuer Bebauungsplan erstellt, „natürlich mit Bürgerbeteiligung“, betont Gerich.
2020 könnte es im größeren Stil losgehen, schätzt der OB, der selbst an vielen Gesprächen mit der GWH beteiligt ist. Einzelne Pilotbauten könnten schon früher entstehen. Bereits jetzt hält die Gesellschaft 92 Prozent der insgesamt 2.600 Wohnungen im Schelmengraben. Neben der generellen Maßgabe, mehr Wohnraum in Wiesbaden zu schaffen, setzen sich GWH und Stadt hier besonders das Ziel, die Mischung der Bewohnerschaft in der zu Dotzheim gehörenden Großsiedlung zu verbessern, die in den 60er Jahren nach Plänen des Architekten Ernst May entstanden ist.
Viele Arme
Derzeit leben im Schelmengraben, der zu Dotzheim gehört, 6.000 Menschen in 2.600 Wohnungen. 33,7 Prozent aller Einwohner leben von Existenzsicherungsleistungen. In Wiesbaden insgesamt sind dies 13 Prozent der Einwohner. Bei den unter 15-Jährigen beziehen im Schelmengraben 45,4 Prozent Sozialleistungen (stadtweit 23,7 Prozent). Auch die Altersarmut ist besonders hoch. 22,4 Prozent der über 65-Jährigen leben hier von Grundsicherung, in ganz Wiesbaden liegt diese Zahl bei 6,2 Prozent (Quelle: Stadt).
Kauf-Angebote für alteingesessene Mieter
Deshalb richtet sich das neue Vorhaben insbesondere an Personen mit mittleren Einkommen, für die 80 Prozent der neu zu bauenden Wohnungen zu Mietpreisen von 8,50 je Quadratmeter vorgesehen sind, an Senioren mit niedrigem Einkommen, die barrierefrei wohnen sollen (Mietpreise zwischen 6,50 und sieben Euro je Quadratmeter) und auch an alteingesessene Mieter des Schelmengrabens. Ihnen will man anbieten, ihre Wohnungen, in denen sie oft schon seit Jahrzehnten leben, zu kaufen. Außerdem, so Gerich, hat man mit der GWH Folgendes ausgehandelt: Für jeweils 60 von 100 Neubauwohnungen wird die Miethöhe der bereits bestehenden Wohnungen, die eigentlich schon aus der Mietbindung rausgefallen sind, auf 6,50 Euro je Quadratmeter begrenzt. Werden also 1.000 neue Wohnungen gebaut, bleiben hierfür 600 „Alt-Wohnungen“, die eigentlich nicht mehr gebunden gewesen wären, sehr preiswert.
Wer den Schelmengraben kennt, weiß, dass es dort durchaus noch viele freie Flächen gibt und viele Möglichkeiten „anzubauen“. Drei Arten von Wohnungsbau sind laut GWH und Stadt vorgesehen: Ergänzungen, Aufstockung und der Bau von Ersatzgebäuden. So gibt es oft parallel zueinanderstehende Mietshäuser, die nach vorne zur Straße hin bisher keine Begrenzung haben. Mit einer Art Querriegel soll diese geschaffen werden. Zusätzliche Stockwerke draufzusetzen, ist mittlerweile im Wohnungsbau in vielen Städten, auch in Wiesbaden, schon üblich. Unansehnliche Parkdecks, die oft nicht voll genutzt werden, können als Fläche für Ergänzungsbauten dienen.
Was bedeuten die Siedlungen für den Verkehr?
Die Fachämter der Stadtverwaltung beschäftigen sich schon seit Längerem mit Fragen, wie sich die Neubauten ökologisch in die Siedlung einfügen und was sie für den Verkehr im Schelmengraben bedeuten. Beteiligungsreferent Marcus Giebeler kündigt ein „maßgeschneidertes Mobilitätskonzept“ an. Die GWH wird zwölf Millionen Euro in die soziale Infrastruktur investieren, sechs Millionen für den Ausbau der Grundschule, weitere sechs in die Kita, heißt es. Die Stadt gibt aus der komplementären Wohnbauförderung zehn Millionen an die GWH, außerdem gibt es Geld vom Land, so genannte KIP-Mittel.
Bereits von 2013 bis 2017 hat die GWH mehr als sechs Millionen Euro in die Häuser investiert. Die Siedlung hat ihr Erscheinungsbild sehr positiv verändert. Nur ein Stachel im Fleisch bleibt: Das Einkaufszentrum und das rote Hochhaus, die in teils miesem Zustand sind und deren Eigentümer sich nicht kümmern. Dem Vernehmen nach möchten die Eigentümer, die im vergangenen Herbst in U-Haft kamen, ihre Immobilien loswerden. Sollte die GWH diese zurückkaufen wollen, „wäre das toll“, meint der OB.