Gespräch mit dem in Wiesbaden lebenden iranischen Autor Salem Khalfani
Der Iraner Salem Khalfani landete zufällig in Deutschland. Um sich in die deutsche Sprache einzugewöhnen, las er Romane. Heute schreibt er sie selbst – und zwar auf Deutsch.
Von Viola Bolduan
Der aus dem Iran stammende Autor Salem Khalfani verfasst Artikel, Rezensionen, Essays auf Persisch– Literatur auf Deutsch, wie seinen Roman „Die ersten Tage der Welt“.
(Foto: Volker Watschounek)
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WIESBADEN - „Eher ein Zufall“, sagt er darüber, dass er nach Deutschland gekommen ist, in ein Land, in dem zu seiner Überraschung Deutsch und nicht Englisch gesprochen wird. Der Iraner Salem Khalfani war 22, als er in Europa landete. Wo, war ihm so wichtig nicht – nur der Wille, zu studieren. Das war zu Hause im Iran nach der Islamischen Revolution aus politischen Gründen unmöglich.
Also hat er erst einmal die Sprache studiert („war hart“), zäh und hartnäckig darüber hinaus vergleichende Literaturwissenschaft als Studienfach gewählt („eine Herausforderung“). Denn, um sich in die fremde deutsche Sprache einzugewöhnen, las er Bücher, Romane. Heute schreibt Salem Khalfani sie selbst – und zwar auf Deutsch. Im Sujet-Verlag erschienen sind bislang eine Novelle („Das Valencianische Wasser“, 2009), Gedichte („Nachtschwimmer“, 2010) und in diesem Jahr sein erster Roman: „Die ersten Tage der Welt“.
Salem Khalfani ist ein drahtiger, nachdenklicher Mann von heute Mitte 50, offen und doch diskret, viel belesen und genauso viel unterwegs. Seit 18 Jahren lebt er in Wiesbaden, ist im Landesmuseum tätig, wo er die Arbeitszeit reduziert hat, um schreiben zu können. Artikel, Rezensionen, Essays verfasst er auf Persisch (nach der arabischen Muttersprache in der Schule gelernt) – Literatur auf Deutsch, denn er hat sich diese Sprache mittels Literatur angeeignet. Ein Wörterbuch dafür braucht er nicht. Er schreibe schnell, sagt er, „die ersten 80 Seiten des neuen Buchs in vier Wochen“ vor der Überarbeitung. Denn: „Schreiben ist eine Entdeckungsreise“, wenn man im Fluss bleibt und sich immer wieder neue Episoden während des Fließens entwickeln.
„Nur einige autobiografische Züge“
Im Roman „Die ersten Tage der Welt“ ist freilich das Gegenteil zentral: der Stein als Sinnbild für Dauer, Stillstand der Zeit. Die Hauptfigur Hamed reist zurück in das iranische Heimatdorf, erinnert sich an seine erste Liebe, die Lehrerin Leila, die ihm das Briefeschreiben nahebrachte und ihm die Augen öffnete für die Welt jenseits des Horizonts. Ein Selbstporträt? Nein, kommentiert Salem Khalfani, „nur einige autobiografische Züge“. Gleichwohl – die eigenen Erfahrungen grundieren den Roman, der von der (unerfüllten) Liebe, dem (erfüllenden) Schreiben erzählt und das Wesen der Zeit reflektiert. „(Es) wäre schön, wenn alles aus Stein wäre: die Zeit, die Liebe, … die Wörter, die Blicke … alles wäre aus Stein, so dauerhaft, so reglos, so ewig … Dann wären die Sekunden da, vor uns, und sie wären Ewigkeiten. Und wir könnten sie erblicken mit unseren steinigen Augen, mit unserem steinigen Blick, und sicher sein, dass alles so bleibt, wie es ist.“ Ein Beispiel der Bildhaftigkeit, des suggestiven Rhythmus’, der Sogkraft dieses Romans, der auf eine ganz eigene Weise Handlung mit Reflexion verknüpft („Gedanken sind wichtig, nicht nur Erfahrungen“), eine ungewöhnliche Ruhe ausstrahlt und ein Geheimnis birgt.
Dieser Roman wäre also fortsetzbar … auf keinen Fall aber übersetzbar ins Persische. Und schon gar nicht von ihm selbst. Das gehe einfach nicht. Beide Sprachen sind je eigene Systeme, für einen Autor nicht einfach austauschbar. Überdies: „Das Buch könnte im Iran nicht erscheinen“. Schließlich ist auch die Revolution Thema („alles andere als schön“). Mehr dazu nicht – nur so viel: Er sei sehr besorgt über die gegenwärtige politische Situation im Iran. Und was steht im Buch? „Völker führen (den Krieg) aus, aber führen ihn nicht …“.
Freude freilich gibt es für Salem Khalfani – abgesehen vom Roman über einen gescheiterten Schriftsteller, der bereits fertig vorliegt und im kommenden Jahr veröffentlicht werden soll – auch: „Unterwegssein“. Ständig nur in Wiesbaden ist ein bisschen langweilig. Schon „auf dem Weg zum Zug“ fühle er sich freier, denke er freier und reise deshalb viel und gern. Für den Gewinn neuer Erfahrungen, denn „das Ich ist nichts ohne die Welt und die anderen“. Auch die Hauptfigur des Romans reist, seiner ersten Liebe hinterher, vergeblich. Im wahren Leben gibt es die Lehrerin Leila noch – die Liebeserklärung im Buch „Die ersten Tage der Welt“ aber kann sie nicht lesen, denn sie ist in der Fremdsprache Deutsch verfasst. Salem Khalfani beherrscht sie hervorragend. Mündlich wie schriftlich. Respekt.