Diskussion um Fußgängerzone und Wiesbadener Einzelhandel beim „Rue-Schoppen“
Von Julia Anderton
Mitarbeiterin Lokalredaktion Wiesbaden
Unter der Moderation von „Sensor“-Chefredakteur Dirk Fellinghauer (links) diskutieren Björn Becker, Nanna Beyer, Andreas Steinbauer sowie Jan Borchert und Alexander Schneider. Foto: René Vigneron
( Foto: René Vigneron)
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WIESBADEN - Normalerweise trifft sich das Diskussionsformat „Der visionäre Frühschoppen“ im „Walhalla im Exil“ in der Nerostraße. Zum Wilhelmstraßenfest gab es am Samstag die erste Freiluft-Ausgabe auf der Bühne in der Burgstraße: den „Rue-Schoppen“. Diskutiert wurde unter Moderation von „Sensor Wiesbaden“-Chefredakteur Dirk Fellinghauer mit „Fuzo 2025 – Leben in der Stadt: Pulsierend oder öde? Innenstadt, Fußgängerzone, Einzelhandel zwischen Herausforderungen, Panikmache und Perspektiven“ ein Thema, das buchstäblich auf der Straße liegt.
Hausgemachte Leerstände
Andreas Steinbauer, Experte für Gewerbeimmobilien, bezeichnet den jetzigen Zustand als „Trauerspiel für eine Landeshauptstadt“ und verwies auf den Filial-Einheitsbrei, hausgemachte Leerstände infolge zu hoher Mieten, eine unattraktive Beleuchtung und die zunehmende Vermüllung. Seine Vision für die Wiesbadener Fußgängerzone im Jahre 2025 ist ein ebenso sauberes wie sicheres Areal mit 24- Stunden-Kontrolle durch das Ordnungsamt, deutlich mehr inhabergeführten Läden infolge der Konzentration des Filialhandels auf das Online-Angebot und die Umwandlung von City-Passage und Luisenforum in einen Komplex aus Einzelhandel, Wohnungen und Hotellerie.
Nanna Beyer vom Kiezkaufhaus empfahl, in der City-Passage anstelle großer Flächen mehrere kleinere einzuplanen, deren Mieten für lokale Geschäftsleute erschwinglich sind. Zudem mache die Herausforderung, Wiesbaden zu einer fahrradfreundlichen Stadt umzumodeln, auch finanziell Sinn: Mehr Leute in der Innenstadt bedeuteten mehr Umsatz.
Björn Becker schilderte seine Odyssee durch die Sportgeschäfte, an deren Ende nicht das ersehnte Paar Sneakers für seinen Sohn, sondern eine hohe Parkhausrechnung, eine dicke Portion Frust und die Online-Bestellung standen, als Aufhänger für seine Idee einer App-Entwicklung, die die Vorteile des stationären Handels mit den Möglichkeiten von E-Commerce verbinden soll: Per Produktsuchmaschine lässt sich im Wiesbadener Handel als Online-Marktplatz ganz schnell herausfinden, welches Geschäft den gewünschten Artikel vorrätig hat. Die App ist fertig entwickelt, zurzeit wird sie getestet; zudem muss die Finanzierung noch geklärt werden, denn das Angebot soll sowohl für Besucher als auch Händler kostenlos sein.
Alexander Schneider und Jan Borchert eröffnen am 15. Juni in der Kleinen Schwalbacher Straße ihr erstes „Truewoods“-Ladengeschäft, nachdem ihr Ökomode-Start-Up bislang nur online zu finden war. Philosophie und Strategie zeigen, dass sie idealistisch, aber keineswegs blauäugig in das Abenteuer starten: Die studierten Forstwissenschaftler wollen die Möglichkeit nutzen, Kunden durch ihre Präsenz in den sozialen Medien gezielt in ihre Räumlichkeiten zu bringen, die zugleich Showroom und Büro sind. Zudem setzen sie auf Nachhaltigkeit durch Bio-Baumwolle und das Pflanzen eines Baumes pro verkauften Kleidungsstücks. Ihr Vorschlag, in Wiesbaden einen runden Tisch nach dem Vorbild von Münster zu etablieren, an dem Besitzer von Innenstadtimmobilien die Entwicklung diskutieren und so problematischen Tendenzen entgegenwirken können, kommt bei Steinbauer an: „Ein unheimlich guter Ansatz. Wir müssen wegkommen von Uniformität, Langeweile, Ödnis.“ Auch ein City-Manager könne eine Lösung sein. „Aber nur dann, wenn er die richtigen Instrumentarien in die Hand gelegt bekommt.“