Der Fall Melanie: Prozess in Gießen wirft Fragen zu verschwundener Schülerin aus Wiesbaden auf
Wird der Fall Melanie vielleicht doch noch aufgeklärt? Das Mädchen verschwand 1999 in Wiesbaden-Klarenthal. Ein Verfahren am Schwurgericht Gießen hat eine mögliche Verbindung zwischen einem Angeklagten und der toten Schülerin erbracht.
Von Wolfgang Degen
Mitarbeiter Lokalredaktion Wiesbaden
Ein 42-jähriger Angeklagter soll 1999 ein achtjähriges Mädchen missbraucht und getötet haben. Eine weitere Spur könnte nach Wiesbaden führen. Foto: dpa
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WIESBADEN/GIESSEN - „Es gibt gewisse Parallelen, was das Opferprofil der Mädchen angeht und die Umstände des Ablageorts der Leichen“, sagt Thomas Hauburger, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Gießen. „Aber im Fall Melanie Frank aus Wiesbaden besteht kein dringender Tatverdacht gegen Rick J.“. Seit dem 20. April muss sich der 42-jährige Mann aus Friedrichsdorf im Hochtaunuskreis vor der Schwurgerichtskammer des Gießener Landgerichts verantworten. Ihm wird vorgeworfen, im September 1999 die damals achtjährige Johanna Bohnacker in ihrem Heimatdorf Ranstadt-Bobenhausen in der Wetterau entführt, anschließend sexuell missbraucht und ermordet zu haben. Johannas Leiche wurde erst am 1. April 2000 in einem Waldstück bei Alsfeld gefunden. Fast 18 Jahre lang stand die Polizei vor einem Rätsel, wer das Kind entführt und getötet hatte. Durch einen anderen Missbrauchsfall kam die Polizei Rick J. schließlich auf die Spur.
Bei der Durchsuchung seiner Wohnung wurde ein Zettel gefunden, der ein anderes Verbrechen wieder in den Blickpunkt rückt: Auf dem Zettel stand ein Name – „Melly Franke“. Könnte der Friedrichsdorfer als Täter für weitere Verbrechen in Frage kommen? Steht dieses „Melly“ für Melanie? Und könnte statt „Franke“ auch Frank als Familienname gemeint sein? Melanie Frank, ein damals 13-jähriges Mädchen, das am Abend des 16. Juni 1999 in Wiesbaden-Klarenthal spurlos verschwunden war. „Melly“ – wie auch immer geschrieben, war jedenfalls der Spitzname der Schülerin.
Skelett im Wald
An jenem 16. Juni 1999, einem Mittwoch, hatte die Mutter das Kind gegen 20.30 Uhr mit dem Müll rausgeschickt, aber auch Kleingeld mitgegeben, damit das Kind der Mutter Zigaretten an einem Automaten in der Hermann-Brill-Straße besorgen könne. Melanie, ein verträumtes, stilles, eher in sich gekehrtes, aber auch sehr vertrauensseliges Kind, wurde zuletzt vor dem Haus Graf-von-Galen-Straße 58 gesehen. „Melanie hielt eine Packung Zigaretten in der Hand und sah mehrfach auf ihre Armbanduhr, als ob sie auf jemanden warten würde.“
So fasste das Landeskriminalamt den letzten Sichtkontakt von Zeugen mit der Schülerin zusammen. Im November 2003 hatte das Landeskriminalamt den Vermisstenfall von der Wiesbadener Polizei übernommen und neu aufgerollt. Eine Arbeitsgruppe „Melanie“ versuchte, Licht in das Dunkel des Verschwindens zu bringen. Im August 2008 fanden Waldarbeiter des Forstamts Simmern (Rhein-Hunsrück-Kreis) im Wald bei Kisselbach Teile eines Skelettes. Ende März 2009 stand nach aufwendigen Untersuchungen dann fest – es handelt sich um die sterblichen Überreste der Schülerin.
Deutet Klebeband auf einen Zusammenhang?
Der in Gießen angeklagte Rick J. bestreitet, mit dem Verschwinden und dem Tod der 13-Jährigen zu tun zu haben. „Melly Franke“, der Name auf dem sichergestellten Zettel, sei wohl eine Freundin von irgendeiner Party gewesen, soll er erklärt haben.
In Medienberichten wird ein möglicher Zusammenhang auch noch über einen Fetzen Klebeband hergestellt, das in dem Waldstück bei Kisselbach gefunden wurde: Klebeband hatte Rick J. bei Johanna Bohnacker benutzt, und Klebeband war auch im Spiel, als er beim Missbrauch einer 14-Jährigen erwischt wurde. Ob das im Wald bei Kisselbach gefundene Stückchen Klebeband im Fall Melanie Frank überhaupt „tatrelevant ist“, sei völlig unklar, sagt Hauburger.