Donnerstag,
12.09.2019 - 03:00
3 min
„Das Auto bleibt vorerst Nummer eins“

Von Matthias Laux
Lokalredakteur Wiesbaden

Hier geht‘s lang: Vertreter von rund 80 Interessengruppen fanden am Dienstag den Weg in die Hochschule Fresenius. (Foto: Matthias Laux)
WIESBADEN - „Vier von fünf Unternehmen sind von dem Zustand der hiesigen Straßen beeinträchtigt.“ Wenn Florian Steidl, der Chefvolkswirt der Industrie- und Handelskammer Wiesbaden, über die Ergebnisse der aktuellen IHK-Verkehrsumfrage unter Firmen in der Region spricht, zeichnet er ein in der Tendenz düsteres Bild. „Auf der Schiene sind zu lange Fahrzeiten, Unzuverlässigkeit und eine schlechte Anbindung zentrale Hemmnisse. Die Schiene kann keine zusätzlichen Verkehre aufnehmen. Die Investitionen in den ÖPNV wurden der steigenden Nutzerzahl nicht angepasst.“
Der Impulsvortrag des IHK-Chefvolkswirts war ohne Zweifel einer der stärksten Beiträge dieses ersten Symposiums für das Mobilitätsleitbild der Stadt Wiesbaden, das am Dienstagabend vor über 100 geladenen Interessensvertretern in der Hochschule Fresenius stattfand. Der Themenschwerpunkt zum Auftakt: Urbanisierung. Doch insbesondere Steidl lieferte mit der Sicht der Wirtschaft eine der spannendsten Ausführungen – ohne die City-Bahn auszusparen.
„Verkehrsinfrastruktur ist oft überlastet“
„Für Unternehmen ist es essenziell, dass sie auf allen Wegen für ihre Kunden erreichbar sind. Dass sie Waren staufrei ans Ziel bringen. Und dass ihre Mitarbeiter quer durch die gesamte Region zu ihrer Arbeit kommen können“, so Steidl. „Wirtschaftliches Wachstum produziert immer Verkehrswachstum. Doch die Verkehrsinfrastruktur hält hier nicht mit, sie ist oft überlastet. Dabei ist sie der Schlüssel für einen erfolgreichen Wirtschaftsstandort.“ Der promovierte Finanzwissenschaftler prophezeit: „Kein Verkehrsmittel wird die alleinige Lösung sein. Unterschiedliche Verkehrssysteme werden intelligent verknüpft und gesteuert werden. Mobilität wird vernetzt sein.“
MOBILITÄTSLEITBILD: WELCHE UNTERNEHMEN WURDEN BEAUFTRAGT?
Christian Giesen, Pressesprecher von Eswe Verkehr, teilt auf Anfrage mit: „Als Ergebnis eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens wurde mit den Fachplanungen zum Mobilitätsleitbild für die Landeshauptstadt Wiesbaden seitens Eswe Verkehr das Büro DMO - Digital mobilities consultants, Hamburg, beauftragt. Das Büro hat zur Überprüfung des Busliniennetzes – das ist Gegenstand des Stadtverordnetenbeschlusses – das Büro Plan Mobil, Kassel, eingeschaltet.“
Wie wurden die Unternehmen ausgewählt? Giesen: „Bewertungskriterien bei der Auswahl waren die fachliche Eignung zur Umsetzung des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung zum Thema Leitbild vom 8. November 2018 und das angemessene Verhältnis von Preis und Wirtschaftlichkeit.“ Eine Zusammenarbeit mit dem Unternehmen KCW, Berlin, kam nicht zustande.
Gemeinsam erarbeiten DMO und Plan Mobil den Angaben zufolge folgende Fachgutachten: Alternativenvergleich innerstädtischer Verkehrsträger, Untersuchung Liniensystem sowie Studie Fahrgastentwicklung. Gleich drei Unternehmen – LK Argus, bbh, Die Raumplaner – erstellen ein Fachgutachten zum Parkraummanagementkonzept. Mit dem Thema „Digitalisierung des Verkehrs“ wurde unter anderem Siemens beauftragt.
Wie wurden die Unternehmen ausgewählt? Giesen: „Bewertungskriterien bei der Auswahl waren die fachliche Eignung zur Umsetzung des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung zum Thema Leitbild vom 8. November 2018 und das angemessene Verhältnis von Preis und Wirtschaftlichkeit.“ Eine Zusammenarbeit mit dem Unternehmen KCW, Berlin, kam nicht zustande.
Gemeinsam erarbeiten DMO und Plan Mobil den Angaben zufolge folgende Fachgutachten: Alternativenvergleich innerstädtischer Verkehrsträger, Untersuchung Liniensystem sowie Studie Fahrgastentwicklung. Gleich drei Unternehmen – LK Argus, bbh, Die Raumplaner – erstellen ein Fachgutachten zum Parkraummanagementkonzept. Mit dem Thema „Digitalisierung des Verkehrs“ wurde unter anderem Siemens beauftragt.
City-Bahn: Was die IHK vermisst
Steidl scheute in seinem Vortrag nicht davor zurück, auch nonkonforme Gedanken zu artikulieren: „Nach Taunusstein und Mainz könnte es eine Seilbahnverbindung geben. Oder vielleicht doch eine City-Bahn? Die Zukunft wird es zeigen.“ Und ergänzte im weiteren Verlauf: „Die City-Bahn kann Chancen für die Wirtschaftsregion bieten. Aus Sicht der Wirtschaft sind aber noch viele Fragen offen. Der Leitbildprozess sollte genutzt werden, um diese Fragen zu beantworten. So sollte es etwa eine seriös kalkulierte und transparente Kosten-Nutzen-Untersuchung inklusive Folgekosten-Berechnung geben. Im Zuge einer Alternativenprüfung muss geschaut werden, was am besten zum Standort Wiesbaden passt.“ In jedem Fall ist laut Steidl ganz generell zu unterstreichen: „Die Erreichbarkeit der Innenstädte mit allen Verkehrsmitteln muss sichergestellt sein.“
Mit dem Rad zur R+V-Versicherung?
Hannes Davieds, Leiter Fuhrparkmanagement und Vorstandsfahrdienst bei der R+V-Versicherung, einer der größten Arbeitgeber Wiesbadens, berichtete anschließend von internen Maßnahmen des Konzerns. „Wir haben uns 2017 entschlossen, mal eine Mobilitätserhebung zu machen. Wo kommen denn unsere Mitarbeiter eigentlich her? Wir haben festgestellt, dass 45 Prozent unserer 5000 Mitarbeiter in Radentfernung zu ihrem Arbeitsplatz wohnen.“ Aktuell, so Davieds, könne man konstatieren, dass „immer mehr unserer Mitarbeiter mit dem Fahrrad kommen. Das ist ein ganz, ganz wichtiges Thema. Was wir uns daher wünschen, wären Radwege, die auch zu uns als Unternehmen führen.“
Pendlerzahlen in Wiesbaden nehmen stark zu
Mit der Erstellung eines Gutachtens für die technische und planerische Umsetzung im Zusammenhang mit dem Mobilitätsleitbild wurde das Unternehmen DMO – Digital mobilities consultants beauftragt (siehe Infokasten). Martina Dörnemann von DMO unterstrich im Rahmen dieses ersten Symposiums, dass „die Pendlerzahlen in Wiesbaden in den vergangenen fünf Jahren stark zugenommen haben“. Dörnemann hielt in ihrem Fazit in Bezug auf die hessische Landeshauptstadt fest: „Das Auto bleibt vorerst Nummer eins im Mobilitätsmarkt. Weniger Autoverkehr könnte aber vielfältige Vorteile für fast alle bieten.“
„Alle Verkehrsträger müssen geprüft werden“
Die DMO-Gründungspartnerin stellte klar: „Es geht um die richtige Mischung im Verkehr. Die Zunahme an Einwohnern und Pendlern wird das Problem noch verschärfen. Die Digitalisierung sowie Plattformen in Kombination mit autonomem Fahren können den Mobilitätsmarkt radikal verändern.“ Und schloss mit einem Appell: „Es müssen alle Verkehrsträger geprüft werden und Leitplanken für die zukünftige Entwicklung festgelegt werden.“