Axel Ulrich schreibt über „Carlo Mierendorff kontra Hitler“
WIESBADEN - Am 4. Dezember 1943 kommt Carlo Mierendorff beim Bombenangriff auf Leipzig ums Leben. Dem deutschen Sozialdemokraten und Nazi-Gegner widmet der Wiesbadener Widerstandsforscher Axel Ulrich eine Studie. Sein jüngstes Buch „Carlo Mierendorff kontra Hitler“ stellt der rührige Publizist am 15. November – mithin kurz vor Mierendorffs 75. Todestag – in der hessischen Landeszentrale für politische Bildung vor.
Einen Tag später ist er mit seiner Mierendorff-Biografie Gast in der KZ-Gedenkstätte Osthofen. Die dortige Leiterin Angelika Arenz-Morch hat am Buch mitgearbeitet. Und Axel Ulrich, in der Stadt Wiesbaden wohl bekannt als Historiker, würdigt in seinem neuen Buch einen Kompagnon des hessischen Innenministers und Gewerkschaftsführers Wilhelm Leuschner, den der Autor bereits vor Jahren porträtiert hatte. „Ein enger Mitarbeiter Wilhelm Leuschners im Widerstand gegen das NS-Regime“ heißt es denn auch im Untertitel des neuen Bands. Nach Leuschner ist eine Verdienstmedaille des Landes benannt, Mierendorff kommt lediglich in manchen Straßen- und Schulnamen vor. Zu wenig noch bekannt, schreibt Axel Ulrich. Dem hat er nun mit der Veröffentlichung ein Ende gemacht.
Der literarische Freund Carl Zuckmayer
Natürlich kann der Langzeit-Widerstandsforscher auf seine Recherche-Vorarbeit zurückgreifen; die voluminöse Literaturliste verzeichnet allein sieben eigene Schriften zum Thema Widerstand gegen das „Dritte Reich“. In seinem Mierendorff-Buch aber gibt der Biograf Carl Zuckmayer Gelegenheit zum ersten Wort. Mierendorffs literarischer Freund hält im März 1944 in New York vor Exilanten die Gedächtnisrede auf den im Bombenhagel umgekommenen Nazi-Gegner. Und Autor Ulrich beschreibt im Weiteren diese beispielhafte Gegnerschaft eines überzeugten Sozialdemokraten. Er zieht sehr viele Zeugnisse heran, um Mierendorffs „Kampfbereitschaft“, konspirative Arbeit und rhetorische Durchsetzungskraft zu belegen. Allmählich entwickelt sich aus dem Mosaik dieser Belege die Kontur eines Mannes als Motor der zivilen Opposition gegen das NS-Regime.
Carlo Mierendorff büßte sie mit Haft (1933-38), die ihn aber nicht davon abhielt, nach der Entlassung das antifaschistische Netzwerk weiter auszulegen und bis in den Kreisauer Kreis hinein festzuzurren. Carlo Mierendorff muss ein unbeugsamer Streiter für sozialdemokratisch-gewerkschaftliches Engagement gewesen sein, d.h. auch ein strikter Hitler-Gegner. In die Vorbereitungen des Attentats vom 20. Juli ’44 eingebunden, wurde Mierendorff als künftiger Leiter des Pressereferats im Schattenkabinett Carl Friedrich Goerdeler/Leuschner gehandelt. Das Attentat schlug fehl, wie wir wissen. Mierendorff stirbt Anfang Dezember 1943, wird in Darmstadt beigesetzt, und Freund Zuckmayer hält Monate später im Exil seinen würdigenden Nekrolog.
Axel Ulrich wiederum würdigt ein Leben – kenntnisreich wie aus einem ungeheuren Zettelkasten aus Wissen über Zusammenhänge und Belegstellen aus der Widerstandsforschung. In der Dokumentation zum Schluss kommen Zeitzeugen zu Wort, darunter auch Genossin Hedwig Rösler, die Mierendorff Kuchen, Bücher und Tabletten ins KZ bringt und seine Wäsche wäscht. Da entsteht schließlich aus dem Politiker auch eine lebendige Person.