Alle zwei Jahre wird es teurer: Kritik an Mieterhöhungen der GWW in Wiesbaden
Sabine J. ist Mieterin einer GWW-Wohnung in der Winkeler Straße und frustriert vom Ausmaß der Mieterhöhung - 22 Prozent in den letzten sechs Jahren. Obwohl das im rechtlichen Rahmen liegt, kritisiert auch der Mieterbund die städtische Wohnbaugesellschaft; so treibe sie als Großvermieter den Mietspiegel immer weiter in die Höhe.
Von Birgit Emnet
Mitarbeiterin Lokalredaktion Wiesbaden
Winkler-Straße 11 (links) und 9. Foto: Sascha Kopp
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WIESBADEN - „Es mag ja alles den gesetzlichen Vorgaben entsprechen, aber muss man alles, was erlaubt ist, auch tun?“ Sabine J. ist Mieterin einer GWW (Wiesbadener Wohnbaugesellschaft)-Wohnung in der Winkeler Straße und frustriert vom jüngsten Mieterhöhungsschreiben der städtischen Wohnbaugesellschaft. Als die Familie im Juli 2011 eingezogen sei, habe die Kaltmiete für die 106 Quadratmeter noch 675 Euro gekostet. Heute, nach drei Erhöhungsrunden in den Jahren 2014, 2016, 2018, beträgt die Kaltmiete ab 1. Februar 825 Euro; warm zahlt die Familie dann 960 Euro. Mithin eine Erhöhung der Kaltmiete um 22 Prozent binnen sechs Jahren.
Die Schreiben begännen immer gleich: „Für die von Ihnen angemietete Wohnung blieb die Grundmiete seit mehr als einem Jahr unverändert. Diese Miete entspricht nicht mehr den Entgelten, die für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung und Lage gezahlt werden. (...) Ausgehend von der vor drei Jahren gezahlten Miete beträgt die Erhöhung nicht mehr als 15 Prozent, sodass die Kappungsgrenze beachtet ist.“ Die Mieterin: „Das mag ja alles so sein und dennoch finde ich es nicht in Ordnung, die Miete in diesem Maße anzuheben.“
Weitere Erhöhungen möglich und rechtens
Die Geschäftsführerin des Mieterbundes, Eva-Maria Winckelmann, kennt „viele Fälle“ dieser Art. Wo der Mittelwert des Mietspiegels noch nicht erreicht sei, träfen regelmäßige Mieterhöhungsverlangen der GWW ein, sagt sie. Das sei auch im vorliegenden Fall so. Der Mietspiegelmittelwert beim Beispiel Winkeler Straße liege bei 7,92 Euro pro Quadratmeter, die Mieter zahlten aber „erst“ 7,75 Euro, sagt Winckelmann. Weitere Erhöhungen seien also möglich. „Wir bedauern das sehr.“ Solange die gewünschten Mieterhöhungen sich aber im Rahmen des Mietspiegels halten, sich am Mittelwert orientieren, und die Kappungsgrenze eingehalten wird, hätten die Mieter keine Chance, würden gegebenenfalls eine gerichtliche Auseinandersetzung verlieren.
In der Tat beruft sich GWW-Geschäftsführer Hermann Kremer auf den Mietspiegel: Routinemäßig würden die frei finanzierten Verträge bei der GWW regelmäßig im Jahr überprüft. „Alle gesetzlichen Vorschriften und die intern vom Aufsichtsrat beschlossenen Auflagen werden von uns beachtet, unter anderem, dass keine Mieterhöhung über zehn Prozent erfolgt.“ Ändere sich der Mietspiegel, fielen die Erhöhungen entsprechend umfangreicher aus. Im Rahmen der letzten Überprüfungsrunde seien etwa 15 Prozent des Wohnungsbestandes (von 13.000 Wohnungen) von der jetzt zum 1. Februar anstehenden Mieterhöhung betroffen, sagt Kremer. Zur laufenden Instandhaltung, Modernisierung und Finanzierung ihrer Wohnungen sei die GWW auf ausreichende Mieteinnahmen angewiesen. Diese ermöglichten „gerade einmal ein kostendeckendes Wirtschaften“. Kremer erinnert ebenfalls an den Neubau-Auftrag der GWW, insbesondere auch im öffentlichen Wohnungsbau. Dazu kämen die energetischen Bestands-Sanierungen mit einer Quote von drei Prozent jährlich. Das alles koste Geld, das erwirtschaftet werden müsse. „Insofern wäre eine weitere Belastung durch Mietverzicht nicht zielführend“, sagt Kremer, „würde in letzter Konsequenz sogar zum Verlust von Wohnungen führen.“
Frankfurt legt sich selbst Beschränkungen auf
Nach Ansicht des Mieterbundes treibt die GWW als Großvermieter jedoch den Mietspiegel weiter hoch. Denn alle Mieten von „frei“ vermieteten Wohnungen könnten ja bei der Ermittlung des Mietspiegels herangezogen werden, berichtet Winckelmann. „Wir fordern daher auch schon lange, dass die GWW, genauso wie die anderen Wohnungsbaugesellschaften der Stadt, ihre Mieterhöhungen nicht ausreizt, sondern sich eher zurückhält und höchstens am jeweiligen unteren Spannenwert orientiert.“ Das gelte auch für die Neuvermietungen. Winckelmann ist der Meinung, dass damit die Stadt selbst dazu beitragen könne, dass die Mieten nicht mehr so schnell steigen wie bisher.
Sie verweist auf Frankfurt, wo die stadteigene Wohnungsgesellschaft ABG das auch umsetzte. „Trotz der damaligen Befürchtungen der Geschäftsführung macht die Gesellschaft dennoch Gewinne“, sagt Winckelmann. „Aus meiner Sicht muss daher keinesfalls der Spielraum, den der Mietspiegel hergibt, ausgenutzt werden. Da könnte (und müsste!) die politische Führung der Stadt regulierend eingreifen. Damit wäre schon eine ganze Menge erreicht.“
GWW-Geschäftsführer Kremer bestreitet einen Zusammenhang: Auch wenn die GWW/GeWeGe mit rund 9000 frei finanzierten Wohnungen (und 4200 öffentlich geförderten Wohnungen) der größte Anbieter auf dem Wiesbadener Wohnungsmarkt sei, verfüge man lediglich über einen Marktanteil von rund acht Prozent. „Ob unser Einfluss deshalb wirklich dämpfend auf die Mietentwicklung wirken kann, ist zu hinterfragen.“