Frühere Gedenktafeln wurden versetzt oder zerstört: Nach der Sanierung der Weiherstraße in Wehen fehlt noch immer ein Hinweis auf die einstige Synagoge im Wehener Ortskern.
Von Mathias Gubo
Redaktion Rheingau-Taunus
Zuerst mit Farbe beschmiert, dann angeschlagen: die Gedenktafel, die an die in der Pogromnacht 1938 zerstörte Synagoge in Wehen erinnern sollte. Längst ist sie abgebaut und nie ersetzt worden.
(Archivfoto: RMB/Wolfgang Kühner)
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WEHEN - „Man brach in jüdische Häuser ein und schlug alles in Scherben oder nahm es mit“, berichteten Augenzeugen von den Vorgängen in der Nacht des 9. November 1938 in Wehen. In der Pogromnacht, wie dieser Tag später in die deutsche Geschichte eingehen sollte, wurden in ganz Deutschland von den Nazis jüdische Synagogen zerstört, jüdische Geschäfte geplündert und verwüstet, jüdische Mitbürger misshandelt oder gar totgeschlagen. Auch in Wehen und den umliegenden Orten brannten die jüdischen Gebetshäuser. Die Synagoge an der Weiherstraße wurde von SA-Trupps aus benachbarten Orten mit Seilen und lauten Hauruck-Rufen regelrecht niedergerissen.
Gedenktafel von Unbekannten zerstört
Heute präsentiert sich die Weiherstraße in neuem Gewand. Nach der millionenschweren Sanierung des Wehener Zentrums ist die Fahrbahn frisch, die Parkplätze sind neu angelegt, die Bürgersteige breiter und ohne Treppen. Allein es fehlt jeglicher Hinweis auf die einstige Synagoge von Wehen, die an der Weiherstraße etwa gegenüber dem dortigen Schloss stand.
Dabei gab es solche Hinweisschilder. So war schon 1983 eine Gedenkplatte mit der Inschrift „Zum Gedenken an unsere während der nationalsozialistischen Herrschaft ermordeten und vertriebenen Mitbürger – zur täglichen Mahnung an uns alle“ auf der Grünfläche vor dem Schloss feierlich eingeweiht worden (siehe Infokasten). Doch einige Jahre später wurde dieser Gedenkstein an das Ehrenmal auf dem Wehener Friedhof verlegt. Angeblich, weil Hundebesitzer und ihre Vierbeiner keine Rücksicht darauf genommen hätten.
Zuerst mit Farbe beschmiert, dann angeschlagen: die Gedenktafel, die an die in der Pogromnacht 1938 zerstörte Synagoge in Wehen erinnern sollte. Längst ist sie abgebaut und nie ersetzt worden. Archivfoto: RMB/Wolfgang Kühner
Liegt heute wenig beachtet am Ehrenmal auf dem Friedhof in Wehen: die Gedenkplatte an die Juden. Archivfoto: RMB/Kühner
Auf der Grünfläche vor dem Wehener Schloss soll jetzt eine Stele zur Erinnerung an die jüdische Geschichte Wehens aufgestellt werden. Foto: Mathias Gubo
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Auch ein zweiter Versuch, an die Wehener Juden und ihr Gebetshaus zu erinnern, scheiterte kläglich. Schülerinnen der Gesamtschule in Wehen hatten eine Tafel mit dem Judenstern und der Aufschrift „Unter der Herrschaft der Gewalt und des Unrechts zerstört“ in einem Pflanzbeet vor dem Haus Weiherstraße 15, dem Standort der ehemaligen Synagoge, platziert. Offenbar zum Unmut von Unbekannten. Denn nach nur einem Jahr wurde die Tafel mit schwarzer Farbe beschmiert, in der Nacht darauf dann mit roher Gewalt zertreten.
Stele auf der Grünfläche vor dem Schloss vorgesehen
Bürgermeister Sandro Zehner (CDU) nannte den Anschlag damals „sehr unschön“ und stellte fest, dass es eine Form von „latentem Antisemitismus am Bodensatz unserer Gesellschaft“ gebe. Bei der Polizei wurde Anzeige erstattet, die Ermittlungen blieben offenbar erfolglos. Kurz darauf rollten dann die Bagger, um die Weiherstraße zu verschönern.
AUSSTELLUNG
„Ab heute haben Sie ab 20 Uhr die Straße nicht mehr zu betreten.“ Mit dieser und vielen anderen amtlichen Anweisungen wurden auch in Wehen die Juden von der Staatsgewalt schikaniert. Die regionalhistorische Ausstellung „Aus dem Stadtarchiv Taunusstein: Dokumente jüdischer Geschichte aus dem Nationalsozialismus“ ist im Rathaus in Hahn zu sehen.
Zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung Taunussteins hat das Museum im Wehener Schloss eine Broschüre aufgelegt, die im Museum für zwölf Euro erhältlich ist.
Erste Rede
Zur Einweihung der Gedenkplatte 1983 am Wehener Schloss war auf Einladung der Stadt einer der letzten damals noch lebenden Juden aus Taunusstein gekommen. Alex Nassauer, 1920 in Wehen geboren, war 1937 in die USA ausgewandert. 1983 hielt er die erste Ansprache seines Lebens und betonte: „Ein solcher Gedenkstein hat auch heute noch seinen Sinn.“ Auch 46 Jahre nach seiner Emigration sprach Nassauer, der während des Dritten Reichs 16 Angehörige verloren hat, noch sehr gut Deutsch. Er könne auch noch Weher Platt, versicherte er damals.
Nun aber soll es Bewegung in der Sache geben. Die Stadt werde eine Stele zur Erinnerung an die einstige Synagoge und die Juden in Wehen aufstellen lassen, versichert Zehner auf Anfrage. Die Arbeitsgruppe „Geschichte sichtbar machen“ der Lokalen Agenda habe diese Aufgabe übernommen.
Nach „langem hin und her“ habe man auch einen Platz für die Stele gefunden, erklärt Zehner weiter. Nämlich die Grünfläche vor dem Schloss, links von der Bushaltestelle. Man habe das Einverständnis der Erbpachtberechtigten des Schlosses erreicht, die Stadt werde im Gegenzug die Pflege der Grünfläche übernehmen. Wann die Stele aufgestellt werden soll, wusste Zehner allerdings nicht zu sagen, obwohl der Abschluss der Bauarbeiten in der Weiherstraße nun fast schon ein Jahr rum ist. Auf die in anderen Städten verlegten „Stolpersteine“ will man in Taunusstein verzichten, da man laut Bürgermeister sonst „dem Protagonisten zu sehr ausgeliefert ist“.