Baumsterben: Jetzt erwischt es auch noch die Buche
100 Liter Wasser benötigt eine Buche. Jeden Tag. Aufgrund der trockenen Sommer wird ihr das zum Verhängnis. Auch in den Taunussteiner Revieren macht sich das bemerkbar.
Von Mathias Gubo
Redaktion Rheingau-Taunus
Förster Matthias Kirchner zeigt den Unterschied: Links ist die Rinde schon verfärbt, die Buche ist also krank.
(Foto: Martin Fromme)
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ORLEN - Wenn Matthias Kirchner, Förster im Revier Zugmantel, im Wald unterwegs ist, hat er zumeist zwei Farbdosen dabei. Mit weißer Farbe sprüht er auf den Stamm bestimmter Buchen ein großes „H“, mit roter Farbe zwei schräge Striche. In beiden Fällen handelt es sich um Bäume, die absterben. Die rot gekennzeichneten Buchen werden gefällt, um das Holz möglichst noch zu vermarkten. Die H-Bäume bleiben als „Habitatbäume“ stehen, um Wohnort für Kleingetier zu sein. Sie sind so stark geschädigt, dass ihr Holz keinen Abnehmer mehr findet.
Das neue Jahr hat wettertechnisch gesehen märchenhaft begonnen. Soweit das Auge reicht, sind Berg und Tal von einer Schneedecke umhüllt. Groß und Klein zieht es raus in die Natur, ob zum Wandern oder Schlittenfahren, alle möchten das Winterwetter ausnutzen. Der Wald scheint unter der Schneedecke wie in einen Winterschlaf gefallen zu sein. Die großen Freiflächen, auf denen in den vergangenen Jahren unzählige Fichten dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen sind, sehen vorübergehend nicht mehr ganz so katastrophal aus – doch der Schein trügt.
Die Buche reagiert nur zeitversetzt
„Seit dem vergangenen Jahr treten nun auch bei einer anderen Baumart Folgen der Trockenheit aus den letzten Jahren auf“, stellt Revierleiter Kirchner fest. Die (Rot-)Buche leide an Vitalitätsschwäche. Seit dem Herbst 2018 komme es zu Absterbeerscheinungen der Buche in allen Altersklassen und auf unterschiedlichsten Standorten. Ursache hierfür seien die lang andauernde Hitze und die Trockenheit. „Ist der Baum vorgeschädigt, wird die Vitalitätsschwäche dadurch noch begünstigt“, erläutert Forstoberinspektoranwärterin Johanna Heep. Die Symptome seien für jeden Waldbesucher erkennbar.
Förster Matthias Kirchner zeigt den Unterschied: Links ist die Rinde schon verfärbt, die Buche ist also krank. Foto: Martin Fromme
Die Rinde schält sich großflächig – diese Buche ist nicht mehr zu retten. Foto: Martin Fromme
Dass diese Buche nicht mehr gesund ist, signalisiert diese mehr als erbärmliche Krone. Foto: Martin Fromme
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„Die Kronen der Buchen sehen bereits auf den ersten Blick nicht gesund aus. Insgesamt gibt es viel weniger Äste oder Teile der Äste sind abgestorben und verlieren schon ihre Rinde“, so Heep weiter. Im vergangenen Jahr hätten viele Buchen bereits im Sommer angefangen, ihr Laub braun zu färben und abzuwerfen. „Teilweise gibt es Bäume, die schon so stark geschädigt sind, dass sie ihre Rinde, von oben herab beginnend, verlieren.“
Schaut man genauer hin, kann man am unteren Teil des Stammes schwarze Flecken entdecken. Diese sind auf Schleimfluss zurückzuführen, welcher eine Wundreaktion der Bäume darstellt, erklärt Kirchner. „Sind diese Flecken zu finden, ist es jedoch schon zu spät für die Buche. Es haben sich bereits Pilze oder auch Insekten angesiedelt, welche das Holz schädigen und damit nach einer Zeit unbrauchbar machen.“ Eine nachhaltige Erholung von der Vitalitätsschwäche sei sehr unwahrscheinlich, da die kommenden Sommer wahrscheinlich ähnlich trocken und heiß werden, befürchtet der Förster, der weiß, dass die Buche zeitversetzt reagiert.
HABITATBAUM
Ein Habitatbaum ist ein Baum, der so geschädigt ist, dass es sich nicht mehr lohnt, ihn für die Holzindustrie zu fällen. Doch als Unterkunft für eine Vielzahl an Lebewesen ist er aus Sicht des Naturschutzes von großer Bedeutung.
Er dient als Zuhause für Spechte, Fledermäuse, die Hohltaube, den Marder oder den Kautz. Über die Hälfte der Insekten sind auf solches Totholz angewiesen. Somit tragen Habitatbäume deutlich zur Erhöhung der Biodiversität im Wald bei.
Förster nehmen jetzt schon eine Zunahme bei der Spechtpopulation wahr. Dies führen sie auf die Habitatbäume zurück. Es wurden aber auch wieder Käferarten entdeckt, die bereits als ausgestorben galten. Deshalb ist ein H-Baum für die Forstwirtschaft tabu.
Besonders betroffen sind nach Kirchners Beobachtung ältere Buchen. Sie seien es gewöhnt, ihr Wasser aus der Tiefe des Bodens zu schöpfen. Eine Buche braucht im Durchschnitt bis zu 100 Liter am Tag. Doch nach den trockenen Sommern gebe es auch in tieferen Lagen kein Wasser. „Sie ziehen Luft“, so der Förster, die dauerhafte Wassersäule im Baum reiße ab, es komme zur Embolie, so der Fachterminus.
Das Holz möglichst noch vermarkten
Auch rund um das Römerkastell Zugmantel gibt es Buchenbestände, die stark geschädigt sind. Hier sollen betroffene Buchen gefällt werden. Die trockenen Äste in den Kronen der Bäume stellen nämlich eine Gefahr für alle Waldbesucher dar, da sie leicht abbrechen und herabfallen können. Hinzu kommt, dass das Holz zunehmend entwertet würde. Kirchner vergleicht solche Bäume mit überreifen Bananen – diese seien schwarz und niemand wolle sie mehr haben. „Zum jetzigen Zeitpunkt sind Teile der Stämme noch für die Holzindustrie nutzbar“, sagt Kirchner. Denn die Forstwirtschaft habe auch die Aufgabe, die Wälder nachhaltig zu nutzen. „Buchenholz ist und bleibt ein vielseitig verwendbares und sehr nachgefragtes Produkt unserer Wälder.“
Sind Bäume allerdings schon so stark von Pilzen und Fäule befallen und stellen keine Gefahr für Waldbesucher dar, werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit stehen bleiben und in Zukunft als Habitatbaum vielen Lebewesen ein neues Zuhause bieten. Heep: „Naturschutzfachlich gesehen sind solche Habitatbäume für den Wald und die Biodiversität eine große Bereicherung.“