Junge Bühne bringt in Georgenborn „Pension Schöller“ auf die Bühne
Von Sabine Bongartz
Szene aus „Pension Schöller“ mit (von li.) Claus Jokusch (als Philip Klapproth), Elisabeth Böhnel (Ulrike Sprosser) und Oliver Netz (Alfred Klapproth). Foto: wita/Martin Fromme
( Foto: wita/Martin Fromme)
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GEORGENBORN - Die Junge Bühne sieht rot. Dieses intensive Bühnenkolorit verweist schon auf die Charaktere, die als Bewohner der „Pension Schöller“ möglichst nicht gereizt werden sollten, um Aggressionen zu vermeiden. Was erst mal nach süßweicher Eiscreme klingt, knallt und kullert bei der Premiere wie kantiges Crushed Ice über die kleine Bühne; lautstark, heftig und extrem unterhaltsam.
Regisseurin Bettina Handreke hat jede einzelne der Chaosfiguren genau ausgesucht und besetzt, denn sie kennt alle Darsteller bestens. Als Gründungsmitglied der Jungen Bühne ist sie seit 1974 dabei, seit einigen Jahren widmet sie sich ausschließlich der Regiearbeit. Der vierten im Fall der „Pension Schöller“, einem 1890 uraufgeführten Lustspiel der Mainzer Autoren Carls Laufs und Wilhelm Jacoby.
Zehn Schauspieler
Bei der Ausformung der Pensionsbewohner mit ihren eigenwilligen Tics konnte Handreke als Krankenschwester in der Psychosomatik aus dem vollen Erfahrungsschatz ihres Alltags schöpfen. Große Leistung in einem zweistündigen Dreiakter mit zehn Schauspielern. Claus Jockusch überzeugt als sensationshungriger Philip Klapproth, der nach Erlebnissen giert, um seinen Stammtischkollegen erzähltechnisch das Wasser reichen zu können. Seine überkandidelte Schwester Ulrike (Elisabeth Böhnel) scharwenzelt nervös um den Bruder herum. Mit dem finanzschwachen Neffen Alfred (Oliver Netz) wird ein Deal ausbaldowert. Für die Chance, einmal eine Irrenanstalt von innen sehen zu können, verspricht der Onkel einen großzügigen Kredit.
Da kommt dem findigen Neffen die Idee, die harmlosen aber skurrilen Dauermieter des Hoteldirektors Schöller (Stefan Thomaß) dem Onkel als Insassen einer Nervenheilanstalt anzupreisen.
Peter Müller als Großwildjäger in Kniestrümpfen mit Maultierpeitsche zieht sich von seinen kontinentalen Ausflügen gerne zum Umpacken in die Pension zurück. Seine Unrast wird dort aber noch getoppt von der in hektischen Zuckungen durchs Leben huschenden Schriftstellerin Josephine – Gabriela Schäfer verbrennt mindestens tausend Kalorien für ihren schwindelerregenden Speed. Auch Schöllers Schwägerin (Petra Roethe) gehört zum Stammpersonal, mit geschürzten Lippen ständig bemüht, ihre romantisch versponnene Tochter Frederike (Annika Bremser) unter die Haube zu bringen, während Major Gröber (Michael Kropp) physisch und stimmlich auf und ab poltert.
Schließlich begeistert noch Joachim Hausmann als Barkeeper Eugen, der Schauspieler werden möchte, auch wenn er kein L sprechen kann („es kostet vien Gend, die geniebte Kunst zu neben!“). Klapproth verspricht den angeblich Verrückten das Blaue vom Himmel, was ihn am Ende fast selbst in die Zwangsjacke treibt.
Der Bühnenumbau wird mit Berliner Baustellenlärm übertönt und die wunderbare, von allen getanzte Musicalperformance zum jazzigen Playback hätte dem begeisterten Premierenpublikum als Zugabe für dieses turbulente Holterdipolter bestimmt gut gefallen. Vielleicht in der nächsten Vorstellung, wenn wieder „nebendig nüsterne Neiber nocken“?